Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katerstimmung (German Edition)

Katerstimmung (German Edition)

Titel: Katerstimmung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Reinartz
Vom Netzwerk:
Namen aus der Bravo -Kontaktanzeige von vor 20 Jahren wählt, hat irgendwas falsch gemacht.
    Schlagartig wird mir bewusst, was die fünf Tomatina-SMS noch bedeuten: Ich habe keine Nachricht von Ana bekommen! Dabei hatte ich sie doch gestern Morgen ausdrücklich gefragt, wo sie genau steckt.
    Lenny kommt vom Duschen und hat es sich natürlich nicht nehmen lassen, den Weg nur mit einem umgebundenen Handtuch zu bestreiten. Wie ich ihn kenne, ist er erst einmal ewig durch den Flur geirrt, weil er die Duschen angeblich leider nicht finden konnte. «Soooo cute», hat die vorbeigehende Engländerin ihrer Freundin dann wohl ins Ohr gegiggelt.
    «Bist du das?» Lenny zeigt auf den tomatenverschmierten Mann mit Mikrophon, der hilflos auf dem australischen Walfisch klebt.
    «Ana hat mir nicht geantwortet.»
    «Wie?»
    «Ich hatte sie gestern Morgen gefragt, wo genau in Barcelona sie ist, und sie hat nicht geantwortet. Ich ruf die gleich mal …»
    «Mysterious Girl.»
    «Was?»
    «Max, du hörst wirklich nie zu, wenn ich von den Flirttipps 3000 spreche. Das ist ein Klassiker. Sich fast nicht melden und dann rätselhafte Nachrichten hinterlassen. So ähnlich wie du mit mir nach deinem Uni-Abbruch.»
    «Bitte?»
    «Also, ich konnte mir zumindest keinen Reim drauf machen, was ‹grad leitb.t afp betrunkn. Cd’n sctest! Studi dich nich! Katrs I.geb dich› um fünf Uhr morgens bedeuten soll.»
    «Ich wollte da aber mit Sicherheit nicht Mysterious Girl 3000 mit dir spielen.»
    «Aber sie tut das! Die will, dass du ihr zeigst, wie wichtig dir das alles ist. Die will gefunden werden.»
    «Den Eindruck habe ich auch langsam. Aber Topfschlagen funktioniert nur, wenn ab und zu jemand ‹Heiß› oder ‹Kalt› sagt.»
    «Ruf sie an. Ich glaube nicht, dass sie rangeht.»
    «Wieso läufst du hier eigentlich rum wie in einem Peter-Andre-Video?»
    «Bist du bescheuert?»
    «Nee, aber ich glaube, du hättest dein frischgekauftes Hemd auch schon im Waschraum anziehen dürfen.»
    «Und wofür mach ich dann täglich Sit-ups? Bar Refaeli läuft ja auch nicht mit ’ner Burka rum.»
    «Israelis tragen keine Kopftücher.»
    «Egal, die Frage ist doch: Willst du Ana noch länger suchen?» Lennys Blick wandert Richtung Empfangstresen. «Und wieso gibt der Typ der Frau da keinen Arschschlüssel?» Ich schaue auch rüber und sehe, wie eine schlanke Spanierin zu einem Spind geht.
    «Arschschlüssel?»
    «Max, ich habe vier Jahre in einer Jugendherberge gejobbt. Kein Schließfach wird zufällig vergeben.»
    «Wovon redest du?»
    «Es gibt Loserschlüssel, Arschschlüssel und Brust-und-Bauch-Schlüssel. Einen Loserschlüssel bekommen nur Bratzen: Spind auf mittlerer Höhe und auch noch außerhalb seines Sichtfeldes. Die Frau hat wenigstens einen Brust-und-Bauch-Spind in der oberen Reihe bekommen. Da muss sie sich strecken und räkeln, um den zu erreichen, und im besten Fall verrutscht dabei das Oberteil noch ein bisschen.» Lenny sollte unbedingt aufhören, seine Ausführungen pantomimisch zu begleiten, sonst verrutscht im schlechtesten Fall sein Handtuch gleich noch ein bisschen.
    «Aber die hätte auf jeden Fall ein Schließfach in der unteren Reihe verdient. Arschschlüssel. Denn um da ranzukommen, muss sie sich bücken und …»
    «Danke, Lenny, ich hab’s verstanden.»
    Er grinst mir zu und catwalkt Richtung Zimmer.
    Ich rufe Ana an, doch leider hat Lenny recht gehabt. Sie geht nicht ran. Auf einmal sehe ich wieder die Digitaluhr vor mir. 55:12:37. Und wenn sie doch schwanger ist? Was sollte man dem kleinen Maxi später einmal antworten, wenn er wissen will, wie Babys entstehen? «Normalerweise läuft das so, dass sich Mama und Papa ganz doll lieb haben. Bei dir kannten sich Mama und Papa eine halbe Stunde, waren ganz arg betrunken und hatten ungeschützten Fessel-Sahne-Sex. So kann es auch klappen.» Vielleicht klärt sich das alles doch nie auf. Oder erst mit dem Brief in neun Monaten. Aber ich kann der auch nicht ewig durch Spanien hinterherreisen. Ich mache, was jeder Actionheld an meiner Stelle tun würde: Ich setze dem Ganzen ein Ultimatum. Wenn sie sich bis 14 Uhr nicht gemeldet hat, fahren wir zum Flughafen.

    Wilhelm und Lenny sind einverstanden. Während die zwei eine Weile über die Ramblas flanieren wollen, setze ich mich noch immer erschöpft in ein kleines Straßencafé mit frischgepressten Säften und aktuellen Zeitungen. Mein Handy mit wieder halb geladenem Akku lege ich auf den Tisch.
    Und was mache ich, wenn sie anruft?

Weitere Kostenlose Bücher