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Katerstimmung (German Edition)

Katerstimmung (German Edition)

Titel: Katerstimmung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Reinartz
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Missfallen bejaht wird. Als wir tatsächlich nach einiger Zeit einen braun gebrannten Flitzer vorbeihuschen sehen, steht mein zweiter Vorschlag für die News fest: «Eine Stadt erregt sich: Nacktjogger belästigen Barcelona.»
    Doch dann wird es dünn und allmählich Abend. Wir spazieren noch einmal den Strand rauf und runter, schlängeln uns durch die engen Gassen eines gemütlichen Künstlerviertels mit versteckten Bars und offenen Galerien. Schließlich sind wir wieder auf der Touristenmeile. Eine interessante Geschichte kann ich zwischen Gucci-Täschchen und Birkenstock-Sandalen nicht ausmachen. Vielleicht muss man wieder ein bisschen nachhelfen. Das mit der Tomatina-DVD hat ja auch keiner gemerkt.
    «Alter, die sind mal heiß!» Lenny bleibt stehen und starrt auf ein Plakat mit zwanzig Cheerleadern in einer Sporthalle. Weibliche Reize sind eben immer noch das beste Mittel, um aktivierende Prozesse auszulösen. Das würde sogar Glatzen-Yul bestätigen. Laut Bildunterschrift handelt es sich um die Dreamcheers des FC Barcelona-Basketballteams. Makellose Körper, knappe Outfits, lange Haare. Und doch käme keine von denen auf einer Skala von 1 bis Ana auf einen Wert über 6.
    «Ja, aber denen fehlt irgendwie das Feuer.»
    «Feuer?» Metaphern zur Beschreibung einer Frau, die jenseits von Kirschen, Glocken und Hupen sind, scheinen Lenny zu überfordern.
    «Ja, das Feuer. In den Augen.»
    «Das Feuer, dem du hinterherrennst, um endlich deine olympische Fackel reinzuhalten?», grinst Lenny. Gut, sein Bildervorrat ist doch ein bisschen größer, passt aber noch in dieselbe Schublade.
    «Ja, wenn im übertragenen Sinn. Also Fackel. Weil meine Fackelfackel brennt ja höchstwahrschein…», ich sollte mich besser nicht in Lennys schmutzige Bilderwelt begeben. Auswärts hat man keine Chance gegen ihn. «Nee, also, was ich meine, ist einfach diese … Wachheit, diese Begeisterung, diese Andersartigkeit, dieses kleine Special in den Augen. Der echte USP einer guten Frau.»
    Lenny schaut mich gedankenverloren an. Einen Moment lang glaube ich, er würde mich verstehen. Aber es ist wohl eher der Klassiker aus Matheunterricht und Chefgespräch: Ich habe keine Ahnung, um was es hier geht, glotze Ihnen aber selbstbewusst in die Augen und nicke ab und zu.
    «Ja, immer noch besser als Wilhelm. Der ist in der Hinsicht ja noch in der Steinzeit und meint, er kommt irgendwann an Feuer, wenn er nur lange genug sein Stöckchen reibt», beendet Lenny das zumindest für wenige Sekunden ernsthafte Gespräch. Wilhelm schweigt und scheint eine Revanche so sehr zu benötigen wie ein buddhistischer Mönch einen Kamm. In irgendeiner ruhigen Minute muss ich es auch noch mal mit Hesse probieren, versuchen, wagen.
    Als wir schon weiterziehen, kommt mir noch einmal das Plakat in den Sinn. Seit wann gibt es eigentlich Cheerleader beim Basketball? Habe ich noch nie von gehört. Vielleicht ist das auch nur hier so. Oder es sind gar keine wirklichen Cheerleader. Vielleicht ist es auch nur eine Schulklasse, die das vorübergehend macht, um einer Mitschülerin eine teure OP zu finanzieren. Ein Pakistani reißt mich aus meinem Tagtraum: «Beer? Cerveza? Coca-Cola? Fanta? Massage? Gulu Gulu? Hasch Hasch?»

    Im Hostel frage ich als Erstes, wo das Luna Mar ist. Ich bin schon erleichtert, als der Junge hinterm Tresen einen Stadtplan hervorkramt. Ana habe ich in letzter Zeit auch dauernd irgendwo erwartet, um dann zu erfahren, dass sie gar nicht da ist. Es hätte mich nicht gewundert, wenn das Luna Mar in Sevilla wäre. Oder auf dem Mond.
    Ich bekomme eine Papierkarte Barcelonas mit einem dicken Kringel direkt am Strand. Diese wilde Spanierin. Das ist doch kein Zufall, dass sie für unser Wiedersehen einen Beach Club vorsieht. Ich sehe mich schon morgen früh kopfüber von einer Palme hängen. Ohne Gedächtnis, aber mit Gulu Gulu am Bambolino.
    Nervös wie ein 13-Jähriger um Mitternacht wähle ich die Kölner Festnetznummer. Bitte, Papa, lass mich noch ein bisschen bei der Party bleiben.
    «Thomann.»
    «Klaus, ich bin’s, Max. Was war denn da mit dem Tomatina-Beitrag?»
    «Ah, unser Undercover-Agent.» Seine Laune ist schon wieder so gut, dass ich seinen Finger nahe der Lautsprechertaste befürchte. «Das wollte ich eigentlich dich fragen.»
    «Was?»
    «Bei uns hat eine ganz verstörte Frau angerufen, die meinte, dass sie ihren spanischen Opa in dem Stück gesehen hat.»
    «Ja, kommt vor. Da waren viele ältere Leu…»
    «Schon, aber der schaut sich die

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