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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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und habe Djamila nur selten zu Gesicht bekommen, geschweige denn, mit ihr sprechen können. Eines Tages war sie verschwunden. Irgendwie war es ihr gelungen, zu fliehen. In seiner Wut hat Wolfenhagen die Wachen hinrichten lassen.“
    Aus dem Kokon heraus stieß Ben hervor: „Ich habe sie all die Jahre vergeblich gesucht. Meine Eltern und Djamila.“
    Nachdem Sando dies übersetzt hatte, meinte Gregor tröstend: „Vielleicht sind ihre Seelen, falls sie je nach Katharsia gekommen sind, längst zerronnen.“
    „Zerronnen?“, fragte Sando. „Was meinst du damit?“
    Gregor schaute ihn erstaunt an.
    „Du bist wohl noch nicht lange in Katharsia?“
    „Ein paar Tage nur.“
    „Das ist freilich nicht viel.“
    Gregor setzte umständlich zu einer Erklärung an: „Also, um es einfach zu sagen: Katharsia ist, wie du sicher schon weißt, eine Welt, in der verletzte Seelen ihren Frieden finden sollen.“
    „Davon habe ich schon gehört“, warf Sando ein, „aber was ich bisher erlebt habe, spricht nicht unbedingt dafür.“
    „Nun, wenn eine Seele ihren Frieden gefunden hat“, fuhr Gregor unbeirrt fort, „zerrinnt sie. Manche glauben, sie geht über in eine andere Welt. Andere meinen, ihre Energie verteilt sich gleichmäßig im ganzen Raum, wodurch sie als einzelne Seele mit ihren Eigenheiten nicht mehr existiert. Keiner weiß es genau. Es ist eine Frage des Glaubens.“
    „Das gefällt mir aber gar nicht“, sagte Sando beunruhigt. „Sobald ich glücklich bin, muss ich diese Welt verlassen?“
    „Nicht doch. Wenn du zum Beispiel glücklich bist, weil du ein Mädchen liebst und sie liebt dich auch, dann sehnst du dich danach, mit ihr zusammen zu sein. Und Sehnsucht ist eine starke Energie. Solange du mit Sehnsüchten und Wünschen erfüllt bist, kann deine Seele nicht zerrinnen. Ebenso wenig, wenn Furcht oder Hass dich treiben.“
    „Du meinst, wunschlos glücklich zu sein, also keine Wünsche mehr zu haben, das ist der Tod?“
    „Oder der Übergang in ein anderes Leben.“
    „Glaubst du daran?“
    „Ich? Na ja, die Energie der zerronnenen Seelen verschwindet ja nicht einfach. Ich glaube, dass daraus anderswo wieder Seelen entstehen.“
    „Ich wünschte, ich hätte diesen Glauben“, mischte sich nun Ben aus seinem Kokon heraus in das Gespräch ein, „dann könnte ich darauf hoffen, Djamila oder sogar meine Eltern in einer anderen Welt zu treffen. Aber ich weiß nicht, ich bin da sehr skeptisch und möchte sie lieber hier und heute finden.“
    Denise und Nabil kamen zurück. Der kleine Engel trug eine tiefblaue kunstlederne Umhängetasche, die mit einer spitzenumrandeten Sonnenblume bestickt war.
    Sando starrte sie entgeistert an. „Soll das die Tasche für Ben sein?“
    „Ja, wieso?“
    „Also, wenn du glaubst, dass ich die je in die Hand nehme, dann …“
    „Was dann?“
    „Ich mach mich doch nicht zum Affen!“
    „Dann trag ich sie eben! Ich finde, sie steht mir“, versetzte Denise und ging zum Tisch.
    Ihr Blick fiel auf den Kokon.
    „Den hast du aber sauber herausgetrennt. Alle Achtung, Sando!“, sagte sie freundlich, wohl um seine Laune wieder aufzubessern. Dann griff sie unvermittelt mit beiden Händen danach, schüttelte ihn heftig wie ein Stück feuchter Wäsche vor dem Aufhängen und hielt ihn an ihre Tasche, um zu sehen, ob die Größe passte. Ben, der nicht rechtzeitig aus dem Kokon entkommen war, wurde laut aufzirpend durch die Decke des Schuppens ins Freie geschleudert. Sando sah ihn verschwinden und registrierte erleichtert, dass er kurze Zeit später durch eine Seitenwand wieder hereindiffundierte.
    Verärgert wandte er sich an Sando: „In Zukunft bitte ich mir aus, dass meine Privatsphäre respektiert wird, sag ihr das!“
    Sando erfüllte ihm den Wunsch.
    Denise war die Sache peinlich. „Entschuldige bitte, Ben, ich habe es nicht mit Absicht getan.“
    Wortlos nahm ihr Gregor Kokon und Tasche ab und begann mit Nadel und Faden, die Behausung für Ben fertigzustellen.
    Er hatte vielleicht zwei oder drei Stiche getan, als es an die Schuppentür pochte. Allen fuhr der Schreck in die Glieder. Nabil legte den Finger an den Mund, schob Sando, Denise und Gregor mit der Umhängetasche hinter den wildledernen Vorhang, der den Raum teilte.
    Das Klopfen wiederholte sich. Sie hörten, wie Nabil zur Tür schlurfte und in tiefstem Bass röhrte: „Wer ist da?“
    Hinter der Tür sagte jemand etwas, doch die Mitteilung schien Nabil nicht zu befriedigen. „Moment!“, knurrte er.
    Wieder

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