Katzen, Killer und Kakteen
anhielt, sprang Mycroft aus der Tür, bevor sie ihn zurückhalten konnte. »Verdammt nochmal, Mycroft, warte gefälligst im Jeep. Es gibt Leute, die mögen keine Katzen, oder hat sich das noch nicht bis zu dir rumgesprochen.«
Hatte es nicht, und es war ihm auch egal. Von daher marschierte Mycroft den Fußweg zum Haus hoch und blickte über die Schulter zurück, als wollte er fragen Kommst du nicht mit?
Und ob sie ihm folgte. Penelope war fest entschlossen, das widerspenstige Vieh zu packen und in den Jeep zu sperren, als Herbert Fletcher die Tür öffnete und auf die Veranda hinaustrat.
»Es ist schon gut, Penelope, ich mag Katzen.«
Da siehst du es, Miss Neunmalklug.
Mycroft ging sofort zu Fletcher hin und beschnüffelte ihn.
Herbert Fletcher war ein Dandy. Es kursierten seit Jahren Gerüchte über seine zahlreichen Geliebten, die er angeblich mit Louises Geld aushielt, aber es hatte ihn noch niemand in flagranti ertapppt. Er war groß und immer noch gutaussehend, hatte noch volles Haar und seine eigenen Zähne, eine Tatsache, auf die er gelegentlich hinwies, wenn er an der Theke des Double B große Reden schwang. Er muß mittlerweile zweiundsechzig oder dreiundsechzig sein, dachte Penelope, und läßt nicht einmal die Schultern hängen. Er trug graue Hosen, passend zu seinem Haar, glänzende Slipper aus Korduanleder mit Troddeln und ein blaues Seidenhemd. Das Ensemble wurde durch ein rotes Plastron abgerundet.
Penelope hielt das bei einem Mann in Trauer für recht seltsam. Das war es wirklich. Penelope hatte seit Jahren kein Plastron mehr gesehen, jedenfalls nicht mehr, seitdem sie ein alternder Lehrer vom British Council damals in Harar hatte verführen wollen. Diese exotische moslemische Stadt in Ostäthiopien mit ihren uralten Mauern hatte sie immer an Josef Conrad erinnert.
Penelope schweifte mit ihren Gedanken für einen Moment ab und dachte mit Vergnügen, aber auch mit Belustigung an Robert Sidney-Veines Versuche zurück, sie zu verführen. Robert durfte nun in Herberts Alter sein. Vorjahren war es ihr schwergefallen, seine Annäherungsversuche ernst zu nehmen, vor allem, da er sie ständig mit »Donnerwetter, Penelope, altes Mädchen« begrüßte. Das alte Mädchen war zu der Zeit gerade mal vierundzwanzig gewesen.
Aber Robert war über die Jahre hartnäckig geblieben. Sie bekam immer noch gräßliche Liebesbriefe, die er alle auf seiner alten Olivetti schrieb und die stets mit dem Satz »Ich hoffe, Du bist bei guter Gesundheit und noch nicht verheiratet« anfingen. Die Umschläge trugen – ein Hinweis darauf, daß er sich aus beruflichen Gründen ständig im Ausland aufhielt – Poststempel aus Bahrain oder Ghana oder Katar oder den Vereinigten Emiraten, aber der alte Lüstling drohte ihr jedesmal an, sie in den Kolonien zu besuchen und so lange durch die Wüste zu jagen, bis sie seinem Flehen nachgab. Penelope kicherte bei der Vorstellung, nackt und mit dem heißblütigen wilden Robert Sidney-Veine auf den Fersen durch die Wüste zu laufen. Den Anblick würde Empty Creek bestimmt nicht so schnell vergessen.
Dann runzelte sie die Stirn. Es war merkwürdig, daß Robert nicht zum Valentinstag geschrieben hatte. Es sah ihm gar nicht ähnlich, so eine Gelegenheit zu verpassen. Aber vielleicht war die internationale Post noch schlimmer als die amerikanische Bundespost, falls das überhaupt möglich war. »Ich hoffe, dem alten Knaben geht es gut«, flüsterte Penelope.
»Wie bitte?«
»Tut mir leid, Mr. Fletcher. Ich war gerade mit meinen Gedanken woanders.«
»Ja, ich glaube, das sind wir heute alle. Das ist eine schreckliche Sache.« Fletcher schnüffelte, als ob er jeden Moment in Tränen ausbrechen würde. »Bitte, kommen Sie doch herein.«
»Danke.«
Mycroft betrat das Wohnzimmer, ein gemütlicher Raum mit Möbeln im gleichen Stil wie das gesamte Haus, und sah sich um. Dabei ließ er eine Spur der Zerstörung hinter sich zurück, was ein sicheres Zeichen dafür war, daß er an Herbert Fletcher einen bestimmten Charakterzug vermißte, den Katzen für unabdingbar hielten. Penelope folgte ihm verlegen und sammelte die Zeitschriften und Bücher ein, die er von den Beistelltischen gefegt hatte – National Geographie, Arizona Highways, Reiseführer und Geschichtsbücher über Arizona, natürlich, was sonst.
»Es tut mir leid, Mr. Fletcher. Normalerweise ist er gar nicht so.«
»Ich vermute, auf Katzen hat Gewalt die gleiche beunruhigende Wirkung wie auf uns alle«, sagte Fletcher, »trotz
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