Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katzenbach: Kriminalroman (German Edition)

Katzenbach: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Katzenbach: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
Vom Netzwerk:
zu, ich komme zu dir, okay, ich komme
heute im Laufe des Nachmittags zu dir. Dann können wir reden. Bis dann.« Er legte
auf.
    »Du fährst
zu ihr?«, flüsterte Nadine.
    »Ja, ich
muss. Ich hätte sie natürlich anrufen und es ihr erzählen müssen, bevor die Polizei
bei ihr war. Sie ist aufgewühlt und aufgebracht. Und es ist besser, ich fahre zu
ihr, als dass sie hierherkommt. Komm.« Er zog sie aufs Sofa. Sie hatte in der letzten
Nacht geschlafen, mit einem starken Medikament, und wirkte etwas gefasster. Stefan
war nur in einen leichten Schlaf gefallen, hatte irgendwann wahrgenommen, dass Lotte
hereingetappt kam und sich zwischen ihn und Nadine kuschelte. Sie hatte leise geweint,
und Stefan hatte ihr übers Haar gestrichen, bis sie still wurde und ihre regelmäßigen
Atemzüge verrieten, dass sie eingeschlafen war. Aber sie sprach noch immer kein
Wort. Sie hatte wenig gefrühstückt, hielt immer ihre Plüschkatze Mischa im Arm.
Sie ließ es zu, dass Nadine ihr eine Geschichte erzählte, aber ihr Gesichtchen blieb
unbewegt, sie stellte keine Fragen, wie sie das sonst immer tat, und sie gab keine
Antwort, als Nadine sie fragte, was sie gern zu Mittag essen würde. Jetzt war sie
in ihrem Zimmer. Stefan hatte rasch die Wohnzimmertür zugemacht, als er auf dem
Display des Telefons gesehen hatte, dass es seine Mutter war, die anrief.
    »Willst
du Leon anrufen und fragen, ob er euch Gesellschaft leistet, während ich weg bin?«
    »Vielleicht
werde ich das tun.« Aber Nadine hatte nur halb hingehört.
    »Hat deine
Mutter gesagt, warum sie gestern hier war?«
    »Das werde
ich sie fragen, wenn ich dort bin.«
    »Findest
du es wirklich gut, zu ihr zu fahren? Sie wird dir doch nur einreden wollen, dass
ich es war.«
    »Dass du
was warst?«
    »Dass ich
Luzia getötet habe. Alle denken das. Der Polizist auch. Denkst du das auch?« Sie
stand kurz vor einem Tränenausbruch.
    »Unsinn,
Nadja, keine Sekunde denke ich das. Natürlich gehören wir für die Polizei zu den
Verdächtigen. Wir alle, ich, Mutter und du. Aber das hat nichts zu bedeuten. Die
Polizisten müssen einfach Fragen stellen.«
    »Wer, denkst
du denn, hat es getan?«
    Stefan zuckte
hilflos die Schultern. »Ich kann es mir überhaupt nicht vorstellen. Es muss ein
Fremder gewesen sein, jemand, der geisteskrank ist oder so. Schau, wir müssen jetzt
stark sein, wegen Lotte.«
    »Ich bin
nicht stark«, sagte Nadine müde.
    »Doch, das
bist du. Die ganze Zeit schon, seit Luzias Geburt.«
    Nadine schwieg.
Dann stand sie langsam auf. »Ich mache uns was zu essen.«
    »Soll ich
Leon anrufen?«
    »Nein, ich
komme schon klar. Ich werde mit Lotte eine DVD anschauen.« Sie ging in die Küche.
    Lotte kam,
als man sie rief. Sie aß widerstandslos ein wenig Kartoffelbrei und ein halbes Würstchen,
ohne ein Wort zu sagen, sie reagierte nicht einmal, als Stefan sie fragte, ob sie
zum Dessert ein Stück Schokolade wolle. Sie schaute vor sich hin, ganz klein und
dünn.
    »Vielleicht
müssen wir uns doch an einen Kinderpsychologen wenden«, sagte Stefan auf Französisch
zu Nadine. Er wusste nicht, was ihn mehr schmerzte, der Tod von Luzia oder Lotte
so verstört zu sehen.
    »Vielleicht.«
    »Sie soll
wieder in die Spielgruppe gehen, vielleicht morgen schon. Es wird ihr sicher guttun,
wieder mit ihren Spielkameraden und Freunden zusammenzusein. Sie muss wieder zur
Normalität zurückfinden.«
    »Normalität?«
Nadine sprach das Wort aus, als ob es aus einer völlig anderen Welt käme. Sie begann
den Tisch abzuräumen. Die Küche war in Unordnung. Niemand hatte in den letzten zwei
Tagen die Energie aufgebracht, das gebrauchte Geschirr in die Abwaschmaschine zu
füllen, den Tisch abzuwischen oder Lebensmittel in den Schrank zu stellen. Nun fing
Nadine an, aufzuräumen. Sie hielt sich innerlich fest an den kleinen Verrichtungen,
die sie schon tausendmal ohne nachzudenken erledigt hatte. Ich kann es, dachte sie.
Die Milch in den Kühlschrank stellen, die Pfanne ausspülen, eines nach dem anderen,
ich kann es. Nach zehn Minuten war sie erschöpft. Einfach weitermachen, dachte sie,
es muss gehen, ich bin in dieser Welt, ich kann nicht hinaus, ich bewege mich in
der verstreichenden Zeit und ich muss sie irgendwie füllen. Sie ging ins Wohnzimmer,
wählte eine Kinder-DVD aus und rief Lotte. »Komm, wir schauen uns diese Geschichte
an«, sagte sie und legte die DVD ein. Lotte setzte sich neben sie. Stefan kam, um
sich zu verabschieden.
    »Ich bleibe
nicht lange, gegen Abend bin ich wieder

Weitere Kostenlose Bücher