Katzentisch - Ondaatje, M: Katzentisch
Vier von zehn bewährten sich. Das genügte nicht.
Dennoch konnte Hector de Silva einen ayurvedischen Heiler aus Moratuwa dazu bewegen, ihn auf seiner Seereise zu begleiten und einen Sack voll ceylonesischer Kräuter und einiger ummattaka -Samen und -Wurzeln aus Nepal mitzunehmen. So hatte der Ayurveda-Mann zusammen mit zwei Schulmedizinern das Schiff bestiegen. Diese Mediziner teilten sich eine Suite auf einer Seite des Schlafzimmers von Sir Hector, und seine Frau und die dreiundzwanzigjährige Tochter teilten sich eine Suite auf der anderen Seite.
Und mitten auf dem Ozean öffnete der ayurvedische Arzt seine Seetruhe, die Tinkturen und Lotionen enthielt, holte die Stechapfelsamen hervor, die er zuvor in Kuhurin eingelegt hatte, vermischte sie mit etwas grobem Zucker, um den Geschmack zu verdecken, und eilte den Flur entlang, um dem Millionär eine Tasse dieses rotzähnlichen Gebräus zu verabreichen, gefolgt von einem guten französischen Cognac, auf den der Philanthrop nicht verzichten wollte. Diese Kur wurde zweimal täglich angewendet, und darin bestand die einzige Aufgabe des Ayurveda-Doktors. Während die zwei Jünger der Schulmedizin sich die übrige Zeit um den Patienten kümmerten, hatte der Mann aus Moratuwa freie Verfügung über das ganze Schiff, obwohl man ihm eingeschärft hatte, dass seine Spaziergänge sich auf das Deck der Touristenklasse zu beschränken hatten. Auch er muss auf dem Schiff herumgewandert sein, die fehlenden Gerüche auf dem unerträglich sauberen Schiff vermerkt haben, bis ihm eines Tages der vertraute Duft brennenden Hanfs auffiel und er ihm bis zu seinem Ursprung auf Deck D folgte. Vor der Eisentür wartete er, klopfte dann, wurde zum Eintreten aufgefordert und von Mr. Fonseka und einem Jungen begrüßt.
Wir waren seit mehreren Tagen auf See, als dieser Besucher auftauchte. Und der ayurvedische Heiler enthüllte uns die letzten Details aus Hector de Silvas Leben, zuerst zögernd, doch dann erzählte er uns fast jede spannende Einzelheit. Später lernte er über uns Mr. Daniels kennen, der sich mit ihm anfreundete und ihn einlud, seinen Garten im Laderaum zu besichtigen, wo sie stundenlang die forensischen Eigenschaften von Pflanzen erörterten. Auch Cassius freundete sich mit dem Ayurveda-Mann an und erbat sich sogleich Betelblätter von dem Naturarzt, der einen Vorrat davon mit sich führte.
Die unglaublichen Enthüllungen über den Mann, den ein Fluch begleitete, faszinierten uns. Wir sammelten jedes Bruchstück von Sir Hectors Geschichte und warteten unersättlich auf Neues. Wir dachten an die Nacht im Hafen von Colombo zurück, als wir das Schiff bestiegen hatten, und versuchten uns zu erinnern oder uns wenigstens einzubilden, wie eine Tragbahre mit dem Körper des Millionärs darauf leicht schräg die Gangway hinaufgebracht worden war. Ob wir es nun wirklich gesehen hatten oder nicht, die Szene stand uns jedenfalls unauslöschlich vor Augen. Zum erstenmal in unserem Leben interessierten wir uns für die Geschicke der Oberschicht; und nach und nach wurde uns klar, dass Mr. Mazappa mit seinen Musikgeschichten und Mr. Fonseka mit seinen Liedern von den Azoren und Mr. Daniels mit seinen Pflanzen, all diese Menschen, die uns bis dahin wie Götter erschienen waren, nur Nebenfiguren waren, dazu bestimmt, zuzusehen, wie diejenigen, die über wahre Macht verfügten, im Leben weiterkamen oder scheiterten.
Nachmittage
ALS MR. DANIELS UNS BETELBLÄTTER zum Kauen angeboten hatte, war uns klargewesen, dass Cassius sich damit bereits auskannte. Als er erfuhr, er werde eine Schule in England besuchen, konnte er bereits einen Strahl der roten Flüssigkeit so durch die Zähne speien, dass er jedes Ziel traf – ein Gesicht auf einem Plakat, die Hose über dem Hintern eines Lehrers, den Kopf eines Hundes im offenen Fenster eines vorbeifahrenden Autos. In Vorbereitung der Reise hatten seine Eltern, die ihm diese ordinäre Unart abgewöhnen wollten, ihm verboten, Betelblätter mitzunehmen, aber Cassius hatte sein Lieblingskissen mit einem satten Vorrat von Blättern und Nüssen vollgestopft. Während des ergreifenden Abschieds im Hafen von Colombo, als seine Eltern ihm vom Kai aus zuwinkten, hatte Cassius ein grünes Blatt herausgeholt und ihnen damit gewinkt. Er wusste nicht, ob sie es gesehen hatten, aber er hoffte, dass sie sein Manöver erkannt hatten.
Wir waren für drei Tage vom Lido-Schwimmbecken verbannt. Unser Überfall an jenem Nachmittag, mit Liegestühlen bewaffnet und
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