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Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
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verletzen.«
Bewußt verächtlich drehte ich ihm den Rücken zu und ging ohne Eile auf die Bäume zu. Ich hatte ein halbes Dutzend Schritte in diese Richtung getan, als seine erste Kugel meine Schulter streifte. Die zweite und dritte gingen fehl, aber ich wußte, das geschah nicht mit Absicht. Wenn er nur ein etwas deutlicheres Ziel gehabt hätte, hätte dieser Junge mich kaltblütig niedergeschossen.
Ich dachte an die vielen Nächte, in denen ich ihn beobachtet hatte, an die zahlreichen Gelegenheiten, bei denen ich mich seiner endgültig hätte entledigen können, wenn mich nicht ein falscher Begriff von Fairneß davon abgehalten hätte. Heute nacht hatte er mir genau gezeigt, wo ich stand. Einem Gentleman wird eine ehrenhafte Abrechnung im Duell zugestanden, aber ein Monster darf man ohne Gewissensbisse abknallen.
Zitternd vor Zorn ging ich durch die Straßen, bis das erste rötliche Tageslicht mich den Weg zur Oper einschlagen ließ.
Doch ich kehrte mit der zielstrebigen Ruhe einer Entscheidung in mein Haus zurück, einem unerschütterlichen Entschluß, der diesem ärgerlichen Schuß viel zu verdanken hatte.
Vielleicht konnte ich den Traum nicht haben, vielleicht waren ihre Stimme, ihr Lächeln und ihre freundliche Gesellschaft alles, worauf ich jemals hoffen konnte.
Aber ich würde nicht länger mit dem Schatten dieses Jungen leben, ich würde seine Rivalität nicht dulden.
Es war Zeit, Christine um eine klare Entscheidung zu bitten.
Heute blieb ich in meinem Zimmer, bis die anhaltende, erdrückende Stille mich hinaustrieb.
    Erik sah auf, als ich sein Zimmer betrat, aber er sprach nicht, nicht einmal, als ich vor ihm niederkniete. Als die Minuten in tödlicher Stille vergingen, wurde mir klar, daß seine Stimme für mich zu einer ebenso machtvollen Droge geworden war wie das Morphium, notwendig für meine Sinne, lebenswichtig für meine Existenz. Sein Schweigen war eine Strafe, die zu ertragen ich nicht die Kraft hatte.
    »Erik, wenn du nicht bald mit mir sprichst, werde ich verrückt«, sagte ich schließlich. »Ich kann es nicht ertragen, hier eingesperrt zu sein und nur meine eigenen Gedanken zur Gesellschaft zu haben.«
    Seine Hände spannten sich fester um die Armlehnen seines Sessels.
»Eingesperrt?« wiederholte er entsetzt. »Das ist dieses Haus also für dich geworden . . . ein Gefängnis?«
»Es ist kein Gefängnis«, sagte ich langsam, »wenn du es nicht dazu machst. Aber du hast mir in dieser letzten Woche solche Angst gemacht, Erik, daß ich das Gefühl habe, dich kaum zu kennen.«
»Nein«, seufzte er, »du fängst erst an, mich kennenzulernen, das ist alles. Hier in meinem Kopf ist soviel Finsternis, manchmal erschreckt mich das auch. Aber das muß nicht so sein, Christine. Wenn ich einfach leben könnte wie andere Männer, bei Tageslicht durch den Bois spazieren, die Sonne und den Wind auf meinem Gesicht spüren . . . Oh, Christine, ich würde wagen, so viele Dinge zu tun, wenn du als meine Frau an meiner Seite wärest.«
Ich schwieg, bekümmert und entsetzt, unfähig, etwas zu antworten. Abrupt stand er auf und entfernte sich von mir.
»Wie ich sehe, liegt dir nicht halb soviel an meiner Stimme, wenn sie Dinge sagt, die du nicht hören möchtest. Einfache Worte können aus meinem Mund wie Obszönitäten klingen, nicht wahr? Ehefrau, Ehemann, Liebe.«
Ich kniete mit gesenktem Kopf auf dem Boden und fühlte mich wie eine Verbrecherin, die die Guillotine verdient.
»Was gestern geschehen ist, wird sich nie wiederholen«, fuhr er ruhig fort. »Wenn du mich heiraten würdest, würde ich jede Bedingung akzeptieren, die du stellst, jede . . . verstehst du?«
»Erik . . . «
»Du glaubst mir nicht! Du denkst, weil ich wie ein Monster aussehe, muß ich mich auch wie eines benehmen.«
»Nein«, flüsterte ich, »ich glaube dir.«
Er wurde sehr still und starrte in äußerster Qual auf mich nieder.
»Es ist dieser Junge, nicht wahr? Der Junge, von dem du sagst, du liebtest ihn nicht.«
Entsetzen durchfuhr mich, und ich schüttelte heftig den Kopf, wies den Vorwurf sofort zurück. Ich wagte nicht daran zu denken, was er Raoul antun würde, wenn ich gestünde, daß ich seinen Ring schon auf meinem Herzen trug.
»Es wäre nicht für lange«, hörte ich ihn leise sagen. »Vielleicht sechs Monate, dann wärest du Witwe . . . und frei, eine richtige Ehe einzugehen.«
Als ich die Hände vor den Mund schlug, wandte er sich verzweifelt ab.
»Ich werde nicht betteln«, sagte er mit plötzlicher Kälte. »Nicht einmal

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