Kay Susan
bewirkte, daß ich mich wieder jung fühlte, als würde ich durch sein Schauen neu geboren, während ich seine geflüsterten Fragen beantwortete.
Die große Kirche hallte wider von unseren Schritten, als wir vor die Bronzestatue von Sankt Petrus traten. Ich hielt inne, um die übliche Verneigung zu machen, und drückte meine Stirn kurz auf den rechten Fuß, dessen Bronzezehen von der Liebkosung Tausender von Pilgern in den Jahrhunderten glatt und konturlos geworden waren. Ich betrachtete die Schlüssel des Himmels, die Petrus an sein Herz drückte, und die erhobene rechte Hand, die für zahllose Sünder ein Symbol der Hoffnung war. Dann trat ich zurück und erwartete, Erik werde meine Geste nachahmen.
Er starrte die Statue voll Bewunderung an, machte aber keine Bewegung, um sie zu berühren, und mir fiel etwas Unheilvolles an dieser absichtlichen Respektlosigkeit auf.
»Man sagt«, brachte ich unbehaglich hervor, »wenn ein Sünder den Fuß von Sankt Petrus küßt, dann empfängt er die erste Hoffnung auf Erlösung durch Gott.«
Langsam drehte Erik sich um und sah mich an.
»Es gibt keinen Gott«, sagte er mit ruhiger, trauriger Gewißheit. »Es gibt schöne Kirchen, es gibt schöne Musik – aber es gibt keinen Gott.«
Ich stand da und sah, wie er sich durch das stille Kirchenschiff entfernte. Ich hatte ihn nicht überreden können, sich die Pietà anzusehen, Michelangelos gefeiertes Meisterwerk, das die Gottesmutter mit ihrem toten Sohn im Arm darstellt. Dabei hatte ich mich über die kalte Höflichkeit gewundert, mit der er meinen Vorschlag ablehnte.
Nun fürchtete ich zu verstehen.
Als ich auf die Treppe hinaustrat, sah ich ihn in der Mitte des Petersplatzes stehen und die doppelte Säulenreihe betrachten, gekrönt von Statuen von Heiligen und Märtyrern. Doch als ich näher kam, wandte er rasch seine Aufmerksamkeit dem riesigen Obelisken in der Mitte des Platzes zu, dem Werk ägyptischer Heiden aus dem ersten Jahrhundert vor Christus. Die Bedeutung seiner Geste war mir schmerzhaft klar; er wollte von Gott nichts hören. Falls ich nach dem Grund fragen würde, wäre unsere merkwürdige Beziehung zu Ende; ich würde ihn nie wiedersehen.
Angesichts seiner wilden, unausgesprochenen Abwehr schluckte ich die frommen Platitüden herunter, die mir beinahe entfahren wären.
»Wann ist der Jahrmarkt in Trastevere zu Ende?« fragte ich.
»Morgen.« Er sah mich nicht an.
»Morgen habe ich in den Travertinbrüchen in Tivoli zu tun«, sagte ich. »Du solltest dich entschließen, in welche Richtung du reisen willst.«
Jetzt war ich derjenige, der sich ärgerlich entfernte. Ich spürte, daß er mir unglücklich nachsah, aber ich drehte mich ganz bewußt nicht um.
Am nächsten Tag, als ich ihn auf der alten römischen Straße wartend fand und sah, daß er beide Stuten bei sich hatte, verspürte ich einen Augenblick lang erleichterte Befriedigung.
Es waren fast zwanzig Meilen bis zu den Hügeln von Tivoli, aber die Pferde waren frisch, und wir legten den Weg in einer guten Zeit zurück. Der Aufseher des Steinbruchs war ein alter Bekannter, der gute Gründe hatte, für die Geschäfte dankbar zu sein, die ich ihm im Lauf der Jahre verschafft hatte. Er machte keine Schwierigkeiten, als ich ihm sagte, ich würde einem Jungen gern ein oder zwei Stunden lang den Steinbruch zeigen.
»Ein neuer Lehrling?« fragte er mit sichtbarer Überraschung.
»Möglicherweise«, antwortete ich vorsichtig. »Wir werden ein paar Werkzeuge brauchen.«
Die Sonne brannte erbarmungslos herunter und machte den Steinbruch zu einer weißen Hölle, die in einer Wolke von erstickendem Staub schimmerte. Ich hatte einen ruhigen Bereich gewählt, weit entfernt von den Hauptarbeitsplätzen: Erik stand in Hemdsärmeln da und berührte die schmutzige weiße Steinfläche verächtlich mit den Fingern.
»Ich dachte nicht, daß es so aussehen würde«, sagte er. »Der Stein ist so pockennarbig, so porös und roh.«
»Es ist nicht der schönste Stein der Welt«, räumte ich ein, »aber er war gut genug für Cäsar, und er sollte wohl auch gut genug für dich sein.«
Er lachte plötzlich. Der Ton hallte im Steinbruch wider und hob mit seiner Spontaneität und jungenhaften Unschuld mein Herz.
»Bitte, Signor, zeigen Sie mir, was ich tun soll«, sagte er mit schlichter Demut, die mich fast seinen Atheismus verzeihen ließ.
Als ich ihm die uralten Werkzeuge des Steinhauers in die Hände legte, dachte ich bei mir, es sei nicht zu spät, zu ihm zu sagen: Es werde
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