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Kehrseite der Geschichte unserer Zeit (German Edition)

Kehrseite der Geschichte unserer Zeit (German Edition)

Titel: Kehrseite der Geschichte unserer Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Vater, wo die Ideen des Herrn de Maistre mich beunruhigen, ich glaube, daß ich irgend etwas abzubüßen habe.
    »Das kommt von dem vielen Lesen«, rief der Alte sichtlich bekümmert aus.
    »Der tapfere polnische General, mein Urgroßvater, wird ganz ahnungslos bei der Teilung Polens mitgewirkt haben.«
    »So, da sind wir wieder bei Polen!« bemerkte Bernard.
    »Was willst du, Papa! Meine Schmerzen sind unerträglich, sie machen mir das Dasein zur Hölle, es ekelt mir vor mir selber. Womit habe ich das nur verdient? Eine solche Krankheit ist keine einfache Störung der Gesundheit, alle Organe funktionieren falsch, und ...«
    »Sing uns doch das Volkslied, das deine arme Mutter immer sang, du wirst dem Herrn eine Freude damit machen, ich habe ihm von deinem Gesang erzählt«, sagte der Alte, der anscheinend seine Tochter von den Gedanken, in die sie sich verrannte, abbringen wollte. Wanda begann nun mit leiser süßer Stimme ein polnisches Lied zu singen, das Gottfried starr vor Bewunderung machte und ihn in Trauer versetzte. Die Melodie, ähnlich den melancholischen Weisen der Bretagne, gehörte zu denen, die noch lange Zeit, nachdem man sie gehört hat, im Herzen nachklingen. Während Wanda sang, betrachtete Gottfried sie, aber er konnte den verzückten Blick dieses Überbleibsels einer Frau, die fast irrsinnig war, nicht ertragen und richtete seine Augen auf die Quasten, die an beiden Seiten des Betthimmels herabhingen.
    »Ach,« sagte Wanda und begann über Gottfrieds aufmerksame Betrachtung zu lachen, »Sie fragen sich, wozu das dient!«
    »Wanda, sagte der Vater, »beruhige dich doch, mein Kind! Sieh, hier kommt der Tee. Das, mein Herr,« wandte er sich an Gottfried, »ist eine sehr kostbare Maschinerie. Meine Tochter kann nicht aufstehen, und ebensowenig kann sie in ihrem Bette bleiben, ohne daß es zurechtgemacht, und ohne daß die Wäsche gewechselt wird. Diese Schnüre laufen über Rollen, und indem wir ihr ein viereckiges Stück Leder unterschieben, das an den vier Ecken von den Schnüren gehalten wird, können wir sie ohne Anstrengung für sie und für uns in die Höhe heben.«
    »So entführt man mich«, rief Wanda ausgelassen.
    Glücklicherweise erschien jetzt August mit der Teekanne, die er auf einen kleinen Tisch stellte; daneben setzte er die Schüssel aus Sèvresporzellan und belegte sie mit Gebäck und Sandwichs. Dann brachte er Sahne und Butter. Der Anblick dieser Zurüstungen gab den Gedanken der Kranken, die eine Krisis befürchten ließen, eine ganz andere Richtung.
    »Hier, Wanda, hast du den neuen Roman von Nathan. Wenn du heute Nacht wach wirst, dann hast du etwas zu lesen.«
    »›Die Perle von Dol‹. Ach, das muß eine Liebesgeschichte sein! August, höre nur, ich werde ein Akkordeon bekommen.«
    August richtete sich jäh auf und warf seinem Großvater einen eigentümlichen Blick zu.
    »Sehen Sie nur, wie er seine Mutter lieb hat! bemerkte Wanda. »Komm, küsse mich, mein Engel. Nein, nicht deinem Großvater, sondern dem Herrn hier mußt du danken; denn unser Nachbar will mir morgen eins leihen. Wie ist es denn beschaffen?«
    Auf einen Wink des Alten erklärte Gottfried eingehend das Akkordeon, während er den von August bereiteten Tee schlürfte, der von hervorragender Güte war.
    Gegen einhalbelf Uhr zog sich Gottfried zurück, ermüdet von dem Schauspiel dieses unerhörten Kampfes von Vater und Sohn, indem er ihren Heroismus und ihre Geduld bewunderte, alle Tage diese Doppelrolle zu spielen, die in beiden Beziehungen gleich drückend war.
    »Jetzt, mein Herr,« sagte Herr Bernard, der ihn in seine Wohnung begleitet hatte, »werden Sie das Leben, das ich führe, verstehen! Zu jeder Stunde fühle ich mich wie ein Dieb, der auf alles achtgeben muß. Ein Wort, eine Geste könnten meiner Tochter den Tod bringen! Wenn eine Kleinigkeit unter den Dingen, die sie umgeben, fehlte, würde ihr Verstand, der durch die Mauern sieht, alles erraten.
    »Mein Herr,« entgegnete Gottfried, »Montag wird Halpersohn seine Diagnose stellen; er ist zurückgekommen. Aber ich zweifle, ob die Wissenschaft diesen Körper wieder wird gesundmachen können...«
    »Oh, darauf rechne ich auch nicht«, sagte der alte Richter; »wenn man ihr nur das Leben erträglich machen kann... Ich verließ mich auf Ihre Einsicht, mein Herr, und ich wollte Ihnen jetzt danken, daß Sie alles so gut verstanden haben... Ach, da ist der Anfall wieder!« rief er, da er durch die Wände hindurch einen Schrei hörte; »sie hat sich über

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