Kein Alibi: Roman (German Edition)
Alex, dann Hammond. »Äh, ich wollte dich gerade holen. Ich hab sie gefunden«, sagte sie, wobei sie geistesabwesend die Hand hob und ihm die Akte zeigte, die sie vermisst hatte. »Entschuldigung.«
»Macht nichts.«
»Verzeihung«, sagte Alex und trat zwischen sie, damit sie hinaus konnte.
»Dr. Ladd, Mr. Perkins ist schon da«, erklärte ihr Steffi im Vorbeigehen.
Sie nahm diese Mitteilung mit einem würdevollen Dankeschön zur Kenntnis, ehe sie weiter den Flur entlang auf die gesicherte Doppeltür zuging.
»Wo seid ihr beide denn zusammengestoßen?«
Obwohl ihn Steffis Frage bis aufs Äußerste reizte, versuchte er, sich nichts anmerken zu lassen. »Sie hat drunten auf den Aufzug gewartet«, log er.
»Ach, na ja, schätzungsweise sind jetzt alle da, also können wir anfangen.«
»Halt sie noch ein paar Minuten hin. Ich muss auf die Toilette.«
Beim Betreten der Toilette war Hammond froh, dass niemand drin war. Er beugte sich übers Waschbecken und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, dann stützte er die Hände auf das kühle Porzellan und ließ den Kopf zwischen den Schultern hängen, damit das Wasser vom Gesicht ins Becken tropfen konnte. Mehrmals holte er tief Luft und atmete leise fluchend wieder aus.
Er hatte um ein paar Minuten gebeten, aber um sich wirklich wieder zu fassen, bräuchte er länger. Vermutlich würde er sich überhaupt nicht von dem Schuldgefühl befreien können, das wie ein Ring um seine Brust lag und sie einschnürte.
Was sollte er tun? Letzte Woche um diese Zeit hatte er noch nie von dieser Frau gehört. Jetzt war Alex Ladd der Mittelpunkt eines Mahlstroms, der ihn nach unten zu ziehen und zu ertränken drohte.
Er sah keinen Ausweg. Er hatte nicht nur einmal gegen die gültige Rechtsordnung verstoßen, sondern fortlaufend, und tat es weiter. Wenn er beim ersten Blick auf ihr Phantombild reinen Tisch gemacht hätte, hätte er sich vielleicht noch retten können.
»Smilow, Steffi, ihr werdet es nicht glauben! Mit dieser Frau habe ich am Samstag die Nacht verbracht. Und jetzt wollt ihr mir erzählen, sie hätte Lute Pettijohn erledigt, bevor sie mich ins Bett gelockt hat?«
Vielleicht hätte er den Sturm ausgehalten, wenn er seine Schuld eher eingestanden hätte. Als er sie in seine Hütte mitnahm, hatte er ja keine Ahnung, dass sie später in ein Verbrechen verwickelt
sein würde. Er war das unschuldige Opfer einer sorgfältig geplanten Verführung gewesen.
Vielleicht hätte er sich lächerlich gemacht, weil er mit einer völlig Fremden ins Bett gegangen war. Vielleicht würde man ihm Indiskretion vorwerfen. Sein Vater hätte ihn als Trottel abgestempelt. Hatte er ihn so schlecht erzogen, dass er mit einer Frau schlief, die er nicht kannte? Hatte er ihn nicht immer wieder vor den Katastrophen gewarnt, die ein junger Mann in den Händen eines tückischen Weibes zu erwarten hatte? Die Sache wäre peinlich gewesen, für ihn, seine Familie und die Staatsanwaltschaft. Er wäre das Klatschthema Nummer eins gewesen und die Zielscheibe von tausend schlüpfrigen Witzen, aber er hätte es überlebt.
Doch dieser Punkt war irrelevant. Er hatte ihre Identität nicht preisgegeben und sie nicht entlarvt, als sie einen Ausflug nach Hilton Head vorgetäuscht hatte. Er hatte nur dagestanden, während Pflicht und Lust miteinander rangen. Und die Lust hatte gewonnen. Bewusst und vorsätzlich hatte er eine Information zurückgehalten, die möglicherweise das Schlüsselelement in einem Mordfall war. So wie er es auch unterlassen hatte, Monroe Mason von seinem Treffen mit Pettijohn am Samstagnachmittag in Kenntnis zu setzen. Sein Verhalten in den letzten Tagen war, nach allen Regeln der Staatsanwaltschaft, unverzeihlich.
Obendrein befürchtete er etwas noch Schlimmeres: Falls er die Gelegenheit hätte, diese Entscheidungen zu überdenken, würde er dieselben falschen Entschlüsse wieder treffen.
Alex misstraute der höflichen Geste, mit der Smilow für sie einen Stuhl herauszog. Er erkundigte sich, ob sie bequem sitze und etwas zu trinken wolle.
»Mr. Smilow, bitte hören Sie auf, das Ganze als Höflichkeitsbesuch darzustellen. Ich bin nur aus einem einzigen Grund hier: weil sie darum gebeten haben, und ich es als meine Bürgerpflicht ansehe, dieser Bitte nachzukommen.«
»Sehr lobenswert.«
Frank Perkins sagte: »Lassen wir doch die Floskeln und kommen wir zur Sache, oder?«
»Schön.« Wie tags zuvor bezog Smilow seine Position auf der Schreibtischkante, was ihm einen klar
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