Kein Blick zurueck
absichtlich zurückgehalten, sie namentlich vorzustellen, selbst Billy gegenüber. Doch die Männer mussten lediglich sehen, wie Frank sie behandelte, um zu wissen, dass sie mehr für ihn war als eine Haushälterin. Sie nannten sie »Ma’am«, wenn sie überhaupt das Wort an sie richteten.
»Es tut mir leid, dass es so sein muss. Du verstehst warum, nicht wahr?«, sagte Frank später zu ihr. »Eine Zeitungsstory zu diesem Zeitpunkt wäre katastrophal. Es geht nicht nur um unsere Haut. Tante Nell und Tante Jennie sind empfindlich, was die Öffentlichkeit anbelangt, denn ihre Schule liegt hier in der Nähe. Ich bin mir sicher, das ist der Grund, weshalb sie und die übrigen Lloyd Joneses sich von uns fernhalten.«
Die Einheimischen wussten wahrscheinlich, dass sich eine Fremde unter ihnen aufhielt – eine besondere Fremde. Einmal war Mamah bei einem Ausritt mit Franks Pferd auf zwei Bauern gestoßen, die eine Abkürzung über das Grundstück nahmen. Sie waren stehen geblieben, um sie anzusehen, doch aus Furcht, ihre Identität zu offenbaren, hatte sieden Schleier über ihr Gesicht gezogen und war davongeritten, statt sie zu grüßen.
Irgendwann in Zukunft würde sie offiziell in die Gemeinde eingeführt werden müssen. Tief in ihren Gedanken hoffte sie immer noch, Catherine werde in eine Scheidung einwilligen. Dann würden Mamah und Frank heiraten, obwohl sie beide der Meinung waren, es sei nicht nötig. Doch wie viel einfacher wäre das Leben, wenn sie dieses Dokument vorweisen könnten.
Vorerst vermieden sie jede Autofahrt nach Spring Green. Als sie entschied, Arbeitsschuhe seien die einzig richtige Lösung für den Morast auf der Baustelle, nahm Frank einen von ihren Schuhen mit in die Stadt und kaufte ihr ein Paar schwere Männerstiefel.
In der zweiten Woche ihres Aufenthalts in Taliesin fuhr Frank nach Chicago in sein Büro. Er hatte ein Projekt auf dem Zeichentisch, ein Sommerhaus in Minnesota für alte Kunden, die Littles, das das verzweifelt benötigte Geld hereinbringen würde.
Er fuhr an einem Samstag, um seine Kinder zu besuchen. Am Sonntagmorgen stand Mamah auf, um mit Jennie und ihrem Mann Andrew, ihren Kindern und Anna Wright, Franks Mutter, zusammen zu frühstücken. Anna Wright war Mamah aus dem Weg gegangen, so gut es ging, und hatte sich tagsüber für lange Stunden in ihr Zimmer im Haus der Porters zurückgezogen. Jetzt saßen sie einander am Tisch gegenüber, als Jennie die Eier auf ihre Teller gleiten ließ.
»Sie isst keine Eier«, sagte Anna Wright. Sie war eine dünne, sich gerade haltende, hart wirkende Frau, deren stahlgraues Haar im Nacken zu einem festen Knoten geschlungen war. Alles an ihr war säuerlich, selbst ihr Atem.
Mamah stellte fest, dass Anna über sie sprach. Die Lippen der Frau waren zu einem dünnen Strich zusammengepresst.Die runzlige Haut um ihre Mundwinkel war ein Gradmesser für die Beleidigung, als die Anna ihre Gegenwart empfand.
»Oh, heute esse ich welche«, sagte Mamah schnell.
Anna sah sie nicht direkt an, als sie sprach. »Es ist zu viel Aufwand, nicht zu essen.«
Mamah fühlte sich zurechtgewiesen und pfefferte und salzte die Eier auf ihrem Teller.
»Ich halte nichts von Pfeffer«, sagte Anna. » Frank rührt Pfeffer nicht an. Er ist schlecht für die Verdauung.«
Zumindest hat sie mich nicht Mrs. Cheney genannt, überlegte Mamah später, wie sie es in der ersten Woche getan hatte, wann immer Frank außer Hörweite war.
»Anna, ich habe meinen Namen legal in Borthwick geändert«, hatte Mamah zu ihr gesagt, als es zum dritten Mal vorkam. Und jetzt wandte sich die alte Frau, ebenso wie die Arbeiter, überhaupt nicht mehr an sie.
Es bedurfte keiner großen Klugheit, um zu verstehen, wie die Familie Wright funktionierte. Anna behandelte Jennie mit nüchterner Vertrautheit. Doch wenn Frank das Zimmer betrat, schien etwas in ihr sich aufzuhellen. Sie stellte ihm Fragen wie einer zu Besuch weilenden Berühmtheit, und ihre Wangen, diese welken Taschen – strafften sich bei seinem Anblick.
Mamah kannte sie als intelligente, sogar witzige Frau; sie hatte sie im Club in Oak Park präsidieren sehen. Diese Anna, Mitbegründerin des Frauenclubs des 19. Jahrhunderts, »Madame Wright«, wie sie sich selbst vorstellte, verkörperte sie, sobald Frank auf der Bildfläche erschien. Sie verwöhnte ihn, stellte ihm einen Teller mit besonderen Leckereien zusammen, wies ihn auf Artikel hin, die sie gelesen hatte, und wollte sich ihm mitteilen. Und sie erzählte endlose
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