Kein Entkommen
»Mr Sebastian würde gern mit Ihnen sprechen.« Anscheinend spielte Welland nun auch noch Sekretär.
Ich seufzte. »Dann verbinden Sie mich.«
»Nicht am Telefon. Wir stehen vor Ihrem Haus.«
Ich legte wieder auf. Dad musterte mich irritiert, als ich zur Haustür ging. Draußen stand Sebastians Limousine, die ich mittlerweile besser kannte, als mir lieb war. Statt mir nach draußen zu folgen, ging Dad nach oben, ganz zweifellos, um die weiteren Schäden im Haus in Augenschein zu nehmen.
Welland trug eine Sonnenbrille, die ihn noch gangstermäßiger als sonst wirken ließ. Durch die getönten Scheiben der Limousine war nichts zu erkennen.
Welland wollte die hintere Wagentür öffnen, doch ich winkte ab.
»Ich steige nicht ein«, sagte ich. »Er kann das Fenster herunterfahren, wenn er mit mir reden will.«
Welland schien sich auf keinen Konflikt einlassen zu wollen. Er klopfte dezent ans Fenster, und eine Sekunde später wurde die Scheibe heruntergelassen. Sebastian beugte sich leicht vor und sah zu mir heraus.
»Wie geht’s Ihnen, David?«
»Was wollen Sie von mir?«
»Dasselbe wie letztes Mal. Ich würde nach wie vor gern wissen, wer Ihre Informantin ist.«
»Verdammt noch mal, ich weiß es nicht.«
»Dann sollten Sie es schleunigst herausfinden«, meinte Sebastian. »Diese Frau bedroht mein Unternehmen und meine Geschäfte. Ich werde nicht akzeptieren, dass jemand Interna aus meiner Firma an die Presse verkauft.«
»Ich habe selbst genug am Hals«, sagte ich. »Aber ich gebe Ihnen einen guten Rat.«
Sebastian hob die Augenbrauen.
»Ficken Sie sich ins Knie.«
Sebastian nickte bedächtig und fuhr die Scheibe wieder hoch, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.
Welland sah mich an.
»Mr Sebastian wird Sie nicht noch einmal bitten«, sagte er.
»Fein.«
»Von wegen«, sagte Welland. »Das wird Mr Sebastian nicht auf sich sitzen lassen.«
Er setzte sich hinters Steuer und fuhr los. Ich sah dem Wagen hinterher, bis er hinter der Straßenecke verschwunden war, und ging zum Haus zurück.
Als ich hereinkam, hörte ich meinen Vater in der oberen Etage rumoren.
»Dad!«, rief ich.
»Ja?«
»Was machst du da?«
»Ich sehe mir bloß die Schäden an. Du meine Güte, wie viele Gäule sind denn mit dir durchgegangen?«
Als ich die Treppe hinaufging, sah ich, wie er breitbeinig im Flur hockte und in eins der Löcher spähte, die ich in den Dielenboden gerissen hatte.
»Ethan kannst du das jedenfalls nicht zumuten«, sagte Dad. »Es sei denn, du willst ihm vorsätzlich die Beine brechen. Und diese Nägel riechen geradezu nach Blutvergiftung. Verdammt, David, ich weiß, dass du momentan eine Menge durchmachst, aber deshalb musst du doch nicht gleich das halbe Haus einreißen.«
Der Schaden war mir egal, aber ich bekam ein schlechtes Gewissen wegen Ethan.
»Ja, das war blöd von mir«, lenkte ich ein.
Dad sammelte ein paar Dielenbretter auf. »Das kriegen wir schon wieder hin, aber einige müssen wir ersetzen. Tja, das wird ein paar Tage dauern. Am besten, ich hole erst mal Werkzeug von zu Hause.«
»Du musst das nicht jetzt sofort erledigen«, sagte ich.
Dad wandte sich zu mir um. »Ach ja?«, brüllte er. »Was soll ich denn sonst machen, verdammt noch mal?«
Erschöpft lehnte ich mich an die Wand.
»Du hast sie doch nicht mehr alle!«, schnaubte er, während er zum Wäscheschrank trat.
»Mit dem Schrank hat alles angefangen«, sagte ich. »Dort habe ich den Briefumschlag mit der Geburtsurkunde gefunden.«
»Na toll«, erwiderte Dad. »Und deshalb legst du den Rest deines Hauses in Schutt und Asche?«
Er hob ein Stück weißer Bodenleiste auf, das ich von der Wand gerissen hatte, und runzelte die Stirn. »Was?«
»Was ist los?«, fragte ich.
»Was ist denn das hier?«
Ich trat zu ihm. An der Rückseite der Leiste klebte ein Umschlag, der dort mit Tesafilm befestigt worden war. Ich hatte die Bodenleisten so achtlos hinter mich geworfen, dass er mir nicht aufgefallen war.
Dad entfernte das brüchige, gelb gewordene Klebeband und reichte mir den Umschlag. Er sah fast genauso aus wie der andere, den ich gefunden hatte.
Er war zugeklebt. Vorsichtig riss ich ihn auf und zog ein zusammengefaltetes Blatt Papier heraus.
Und nun verstand ich gar nichts mehr.
Es war eine weitere Geburtsurkunde, ausgestellt auf den Namen Constance Tattinger.
»Und?«, fragte Dad.
»Das ist eine Geburtsurkunde«, sagte ich.
»Wem gehört sie denn?«
»Ich blicke nicht mehr durch«, erwiderte ich langsam. Ich
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