Kein Entkommen
ebenfalls ausstieg und zu uns trat. »Was ist passiert?«
Mom rang nach Luft. »Er hat hinten im Garten gespielt, Bälle gegen den Zaun gedroschen. Ich habe meine Hausarbeit erledigt und alle paar Minuten aus dem Fenster gesehen, aber ich konnte ihn ja sowieso hören. Aber plötzlich fiel mir auf, dass es so still war. Ich hatte ihn nicht hereinkommen hören und habe erst mal in der Garage nachgesehen, weil ich dachte, er wäre vielleicht an die Werkzeuge deines Vaters gegangen. Aber da war er nicht, und sonst konnte ich ihn auch nirgends finden.«
»Dad«, sagte ich. »Ruf die Polizei.«
Er nickte und lief ins Haus.
Mom ergriff mich an den Schultern. »Es tut mir so leid, David, so furchtbar leid. Ich …«
»Schon okay, Mom. Komm, wir …«
»Ich habe bloß zwei Minuten nicht aufgepasst, ich schwöre. Er war …«
»Mom, wir müssen ihn erst mal finden. Hast du schon bei den Nachbarn gefragt?«
»Nein. Ich dachte, er hätte sich vielleicht irgendwo versteckt. Ich habe überall nachgesehen, im Keller, unter den Betten …«
Ich deutete auf die umliegenden Häuser. »Fang nebenan an. Ich sehe mich noch mal im Haus um. Los, mach schon, Mom.«
Mom lief zum Nachbarn auf der linken Seite, während ich die Verandastufen hinauf und ins Haus hetzte.
»Der Junge heißt Ethan Harwood«, sagte Dad gerade ins Telefon. »Er ist vier Jahre alt.«
»Ethan?«, rief ich. »Ethan, wo bist du?«
Ich lief zuerst die Treppe hinunter, sah in den Heizungskeller und dann in den Stauraum unter der Treppe. Ein Vierjähriger konnte sich an allen möglichen Orten verstecken. Ich erinnerte mich daran, wie ich in seinem Alter einen der Koffer meiner Eltern hervorgezerrt und mich darin verkrochen hatte. Das Problem war nur, dass die Verschlüsse eingerastet waren und ich aus Leibeskräften geschrien hatte, bis meine Mutter mich befreien konnte.
Ich kramte die Koffer aus dem Stauraum und öffnete sie. Nichts.
Nein, hier unten war Ethan garantiert nicht. Ich lief wieder nach oben und betrat die Küche. Dad hatte aufgelegt.
»Sie haben gesagt, sie schicken jemanden vorbei«, sagte er. »Es würde aber eine Weile dauern.«
»Eine Weile? «, sagte ich. »Was, zum Teufel, soll das heißen?«
Dad sah betroffen drein. »Als ich gesagt habe, er wäre erst seit einer Stunde verschwunden, meinte der Cop, wir sollen erst mal warten.«
Ich griff nach dem noch warmen Hörer und wählte den Notruf.
»Hören Sie mir gut zu«, sagte ich, nachdem ich mit dem Cop verbunden worden war, mit dem Dad gesprochen hatte. »Mein vierjähriger Sohn ist verschwunden, und Sie schicken jetzt sofort einen Streifenwagen vorbei! Haben Sie mich verstanden, verdammt noch mal?«
Ich wandte mich zu Dad. »Mom fragt bei den Nachbarn herum. Kannst du ihr helfen?«
Dad wandte sich auf der Stelle um und hastete davon.
Ich lief nach oben, riss die Schränke auf und spähte unter die Betten, dann warf ich einen kurzen Blick zum Dachboden, doch an die Luke wäre er auch mit einem Stuhl nicht herangekommen.
»Ethan!«, rief ich. »Komm sofort heraus, wenn du dich hier irgendwo versteckt hast, sonst erlebst du dein blaues Wunder!«
Nichts.
Als ich aus der Haustür trat, hatte sich ein gutes Dutzend Nachbarn auf der Straße versammelt, die aufgeregt mit meinen Eltern diskutierten.
»Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit!«, rief ich. »Würden Sie mir bitte kurz zuhören?«
Die Gespräche verstummten. Alle wandten sich mir zu.
»Mein Sohn Ethan ist verschwunden. Sie haben ihn wahrscheinlich schon öfter gesehen. Wir können ihn nicht finden. Vor einer Stunde hat er noch im Garten meiner Eltern gespielt, und jetzt ist er spurlos verschwunden. Könnten Sie bitte in Ihren Gärten und Garagen nachsehen, ob er sich dort versteckt hat? Und als Erstes sehen Sie bitte in Ihren Swimmingpools nach!«
Meine Mutter sah aus, als würde sie jede Sekunde ohnmächtig werden.
Ein paar Nachbarn nickten, als fänden sie meine Aufforderung durchaus vernünftig, machten aber keinen besonders besorgten Eindruck. Niemand schien es sonderlich eilig zu haben.
»Worauf warten Sie noch?«, rief ich. »Verdammt, mein Junge ist verschwunden!«
Nun schien doch ein Ruck durch sie zu gehen. Alle eilten zu ihren Anwesen, nur ein hochgewachsener, teigig wirkender Typ mit einer Baseballkappe rührte sich nicht. »He, Harwood!«, rief er. »Hast du deinen Bengel jetzt auch noch kaltgemacht?«
Es war, als würde eine Sicherung in meinem Kopf durchbrennen.
Ich rannte los, stürzte mich auf den
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