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Kein Entkommen

Kein Entkommen

Titel: Kein Entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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ob ich ihm von Jans Verschwinden erzählen sollte. Lyalls Tonfall verriet zwar keinerlei Argwohn, trotzdem fand er es bestimmt merkwürdig, dass ich mit seiner Frau sprechen wollte.
    »Schon okay«, sagte ich. »Ich versuch’s später noch mal.«
    »Worum geht’s denn?«
    »Um ein Geschenk für Jan. Ich dachte, vielleicht hat Leanne eine Idee.«
    »Verstehe«, sagte er. »Ich richte ihr aus, dass du angerufen hast.« Ich legte auf.
    Einen Augenblick lang saßen wir schweigend am Tisch, dann sagte Dad mit betont sachlicher Stimme, wenn auch eine Spur zu laut: »Ich kann nicht glauben, dass Jan sich etwas angetan hat.«
    »Um Himmels willen, sprich leise!«, zischte Mom ihn an. »Hast du vergessen, dass Ethan nebenan ist?«
    Doch Ethans Brumm-brumm nach zu urteilen, hatte er offenbar nichts mitbekommen.
    »Tut mir leid«, sagte Dad. Er hatte die Angewohnheit, lauter zu sprechen als notwendig, auch wenn er keineswegs schlecht hörte. Er ging nur stets davon aus, dass ihm der Rest der Menschheit nicht richtig zuhörte, was auf Mom übrigens tatsächlich zutraf. »Nein, ich glaube das einfach nicht.«
    »Trotzdem«, beharrte ich. »Ich habe sie kaum wiedererkannt in den letzten Wochen.«
    Mom wischte sich eine Träne von der Wange. »Aber … Ich habe überhaupt nichts davon bemerkt.«
    »Ich zuerst auch nicht«, erwiderte ich. »Wahrscheinlich war ich einfach nicht aufmerksam genug.«
    »Was hat sie noch mal in dem Restaurant gesagt?«, fragte Mom.
    Ich schluckte. Es fiel mir schwer, darüber zu reden; ich hatte das Gefühl, an meinen eigenen Worten ersticken zu müssen. »Sie hat gesagt, sie wäre nur eine Last für mich. Dass Ethan und ich ohne sie besser dran wären.«
    »Da war sie wohl nicht ganz bei Trost«, sagte Dad. »Du liebe Güte, ich verstehe beim besten Willen nicht, was ihr fehlt. Sie hat einen anständigen Ehemann, einen wundervollen Jungen. Ihr habt ein schönes Haus und beide gute Jobs. Wo, um Himmels willen, liegt also das Problem?«
    Mom seufzte und bedeutete mir mit einem Blick, ihm keine Beachtung zu schenken. Dann sah sie Dad an. »Nur weil man einen Mann und ein Dach über dem Kopf hat, bedeutet das noch lange nicht, dass alles in bester Ordnung ist.«
    Er runzelte die Stirn. »Worauf willst du hinaus?«
    Kopfschüttelnd sah Mom mich an. »Das würde er sowieso nicht kapieren.« Ein kleiner Versuch, die Stimmung aufzulockern.
    »Ich habe bloß gesagt, was ich denke«, gab Dad zurück und senkte den Kopf. Erst jetzt bemerkte ich, dass ihm Tränen in den Augen standen.
    Ich ergriff seine Hand. »Dad.«
    Er erhob sich wortlos und verließ die Küche.
    »Er will nicht, dass du ihn so siehst«, erklärte Mom. »Es zerreißt ihm jedes Mal das Herz, wenn du Probleme hast.«
    Ich wollte aufstehen und ihm folgen, doch Mom hielt mich zurück. »Er kommt gleich wieder. Lass ihm einen Moment, um sich zu beruhigen.«
    »Na, Kleiner? Habe ich dir eigentlich schon die Eisenbahnkataloge mit den neuesten Modellen gezeigt?«, hörte ich ihn in diesem Moment nebenan sagen.
    »Ich schaue aber gerade fern«, gab Ethan zurück.
    »Wie viel hat Ethan mitbekommen?«, fragte Mom.
    »Nicht viel. Ich habe ihm erklärt, dass die Polizei nach Jan sucht. Im ersten Augenblick dachte er, sie hätte eine Bank ausgeraubt oder so, aber ich habe ihm gesagt, die Polizei würde ihr nur helfen, den Weg nach Hause zu finden.«
    Ein kurzes Lächeln huschte über Moms Gesicht.
    Plötzlich kam mir ein Gedanke. »Ich muss diese Brücke finden«, platzte ich heraus.
    »Was für eine Brücke?«
    »Die, von der sich Jan stürzen wollte. Ich habe der Polizei gesagt, sie sollten alle Brücken in der Umgebung des Parks überprüfen, aber … diese eine, von der sie mir erzählt hat, ist an der Straße, über die man zu Miller’s Gartencenter kommt.«
    »Ich glaube, ich weiß, welche du meinst.«
    »Dort hat die Polizei bestimmt nicht nach ihr gesucht.«
    »Dann ruf die Cops an«, sagte Mom.
    »Wer weiß, wann die sich darum kümmern. Nein, ich fahre selber hin. Kannst du auf Ethan aufpassen?«
    »Natürlich. Nimm deinen Vater mit.«
    »Nicht nötig. Das kriege ich schon allein hin.«
    »Nimm ihn mit«, beharrte sie. »So hat er wenigstens das Gefühl, nicht völlig nutzlos zu sein.«
    Ich nickte. »He, Dad«, rief ich ins Wohnzimmer. Ein paar Sekunden später stand er im Türrahmen. »Dad, kannst du mich begleiten?«
    »Wohin?«
    »Erkläre ich dir unterwegs.«
    Wir nahmen meinen Wagen, was sich als ziemliches Problem erwies. Dad war schon

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