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Kein Entkommen

Kein Entkommen

Titel: Kein Entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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möglich, um niemanden aus dem Schlaf zu reißen. Ich überquerte die stille Straße, betrat die Einfahrt und erklomm die Stufen zur Haustür.
    Ich stand im Schein der Glühbirne über der Tür und hielt Ausschau nach einer Klingel. Sie befand sich rechts im Türrahmen. Ich drückte fest mit dem Daumen darauf.
    Aber es klingelte nicht; ich hörte kein Schrillen, keine Türglocke. Ich warf einen Blick zum Briefkasten an der Wand. »Keine Reklame einwerfen!« stand dort. Vielleicht hatten die Richlers auch ihre Klingel abgestellt, um nicht von Zeitungswerbern und Hausierern belästigt zu werden.
    Oder die Klingel war einfach kaputt. Zur Sicherheit drückte ich ein zweites Mal. Immer noch war nichts zu hören.
    Ich öffnete die Fliegentür und erspähte einen Türklopfer. Ich betätigte ihn fünf Mal hintereinander. Es klang, als würden Gewehrschüsse durch die Nacht hallen, doch drinnen schien niemand aufzuwachen.
    Als nichts passierte, wartete ich fünfzehn Sekunden, ehe ich den Türklopfer abermals betätigte. Ich wollte gerade zum dritten Mal loslegen, als im oberen Stockwerk Licht anging.
    Aha.
    Ich klopfte noch zweimal, nun aber etwas leiser. Kurz darauf kam Horace Richler die Treppe herunter. Er trug Pyjama und Morgenmantel, und das verbliebene Haar stand in allen Richtungen von seinem Kopf ab.
    Zögernd näherte er sich der Tür. »Wer ist da?«
    »Mr Richler?«, rief ich halblaut, damit er mich durch die Tür verstehen konnte. »Ich muss mit Ihnen reden.«
    »Wer zum Teufel sind Sie? Wissen Sie überhaupt, wie spät es ist? Ich habe eine Waffe, verdammt noch mal!«
    Wenn er wirklich eine besaß, hatte er sie jedenfalls nicht dabei.
    »Mein Name ist David Harwood. Bitte, ich muss mit Ihnen reden! Es ist sehr wichtig!«
    Nun kam noch jemand die Treppe herab. Es war Gretchen Richler, ebenfalls im Morgenmantel. Ich hörte ihre gedämpfte Stimme, als sie ihren Mann fragte, was los sei.
    »Es geht um Jan!«, rief ich.
    Horace Richler schien einen Moment lang zu zögern, als müsse er sich erst vergewissern, dass er richtig gehört hatte, ehe er an die Tür kam. Ich hörte, wie ein Schlüssel umgedreht und eine Kette ausgehakt wurde. Dann wurde die Tür einen Spaltbreit geöffnet.
    »Was wollen Sie von uns?«, schnauzte Horace Richler. Seine Frau lugte über seine Schulter. Ob sie hinter ihm Schutz suchte oder nur nicht wollte, dass ich sie im Morgenmantel sah, ließ sich nicht genau sagen.
    »Entschuldigen Sie, dass ich Sie um diese Uhrzeit störe«, sagte ich. »Aber es handelt sich um einen Notfall.«
    »Wer sind Sie?«, fragte Gretchen Richler mit hoher, kratzender Stimme. Sie klang wie eine alte, zu schnell gespielte Schallplatte.
    »Ich heiße David Harwood. Ich bin Jans Ehemann.«
    Die beiden starrten mich wortlos an. Meine Eröffnung schien ihnen die Sprache verschlagen zu haben.
    »Es tut mir leid, dass wir uns unter solchen Umständen kennenlernen müssen«, sagte ich. »Ich komme gerade aus Promise Falls. Jan ist spurlos verschwunden, und ich versuche sie zu finden. Nun ja, ich dachte, dass sie vielleicht hier hergekommen sein könnte.«
    Sie starrten mich immer noch an. Doch plötzlich verzerrte sich Horace Richlers steinerne Miene.
    »Sie irren sich, Mister«, knurrte er. »Verlassen Sie sofort unser Grundstück.«
    »Bitte«, beschwor ich ihn. »Ich weiß, dass Sie schon seit Ewigkeiten keinen Kontakt mehr zu Ihrer Tochter haben, aber ich mache mir ernste Sorgen, dass ihr etwas zugestoßen sein könnte. Ich dachte, Sie haben vielleicht eine Idee, wo sie steckt.«
    Richler ballte die Fäuste und lief rot an vor Wut.
    »Ich habe keine Ahnung, was für ein Spiel Sie hier spielen, Mister, aber eins schwöre ich bei Gott. Ich mag ein alter Mann sein, aber ich werde Sie persönlich die Lincoln Avenue runterjagen, wenn Sie mich dazu zwingen.«
    Trotzdem war ich nicht bereit, so schnell aufzugeben.
    »Habe ich mich etwa im Haus geirrt?«, hakte ich nach. »Sind Sie nicht Horace und Gretchen Richler? Haben Sie keine Tochter namens Jan?«
    Gretchen trat hinter ihrem Mann hervor.
    »Doch, das sind wir«, sagte sie leise.
    »Meine Tochter ist tot«, stieß Horace Richler zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    Ich fühlte mich, als hätte er mir einen Schlag in die Magengrube versetzt. Etwas Schreckliches war passiert. Ich war zu spät gekommen.
    »O Gott«, stieß ich hervor. »Wann? Was ist passiert?«
    Er sah mich düster an. »Sie ist schon lange tot.«
    Ich atmete aus. Im ersten Moment hatte er

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