Kein Entkommen
Falls«, sagte ich. »Ich war bei der Polizei, und ein gewisser Detective Duckworth sagte mir, er hätte mit Ihnen über die Frau gesprochen, die kürzlich spurlos verschwunden ist.«
»Ja, das stimmt.« Sein Tonfall ließ ahnen, dass er sich über die Aussicht freute, interviewt zu werden.
»Dann ist diese Frau also hier gewesen?«
»So sicher wie das Amen in der Kirche«, gab er zurück.
»Haben Sie die Polizei angerufen? Oder haben die sich bei Ihnen gemeldet?«
»Ich war’s selbst.« Er glitt von seinem Stuhl und beugte sich über den Tresen. »Ich habe ihr Bild am Abend vorher in den Nachrichten gesehen und sie sofort wiedererkannt.«
»Wow«, sagte ich, während ich Notizbuch und Kugelschreiber aus meiner Jacke kramte. »Aber besonders lange kann die Frau doch nicht hier drin gewesen sein, oder?«
»Stimmt schon«, sagte er. »Aber sie war ziemlich gesprächig, daher hatte ich Gelegenheit, sie mir ein bisschen genauer anzusehen. Ziemlich attraktiv übrigens, die Lady.«
Jan? Gesprächig?
»Und was hat sie gesagt?«
»Dass sie mit ihrem Mann unterwegs sei.«
»Wie? Einfach so aus heiterem Himmel?«
»Nein, erst sagte sie, wie schön es hier oben sei, sie wäre noch nie am Lake George gewesen. Ich hab sie gefragt, ob sie sich irgendwo in der Nähe ein Zimmer genommen hätten, und sie meinte, nein, sie würde nur einen Ausflug mit ihrem Mann machen.«
Das klang plausibel. Ganz normaler Smalltalk. Wieso machte Duckworth so eine Riesensache daraus?
»Und dann?«, fragte ich.
»Sie hat zwei Getränke gekauft, ich weiß aber nicht mehr, was. Einen Eistee, glaube ich.«
»Und dann ist sie gegangen?«
»Sie hat mich noch gefragt, was man hier in der Gegend unternehmen kann. Irgendwas Spannendes, meinte sie.«
»Etwas Spannendes?«
»Wollen Sie eigentlich nichts aufschreiben?«, fragte er.
Erst jetzt fiel mir auf, dass ich mir noch keine einzige Notiz gemacht hatte. Ich lächelte. »Keine Sorge. Ich habe ein ausgezeichnetes Gedächtnis.«
»Nicht, dass Sie mich falsch zitieren.«
»Wie gesagt, keine Sorge. Was meinte sie damit, ›etwas Spannendes‹?«
»Na ja, sie hat sich offenbar gefragt, warum ihr Mann mit ihr hier rausgefahren war. Sie dachte, er will sie vielleicht mit irgendwas überraschen.«
»Hat sie sonst etwas über den Ausflug gesagt? Vielleicht, dass sie und ihr Mann sich mit jemandem treffen wollten?«
Ted überlegte. »Nein, nichts dergleichen. Nur, dass ihr Mann ihr nicht verraten wollte, was er hier draußen vorhatte.«
Ich legte Notizbuch und Kugelschreiber auf den Tresen und schwieg einen Moment.
Ted zog die Stirn in Falten. »Gibt’s ein Problem?«
»Wieso lügen Sie, Ted?«, fragte ich.
»Was?«
»Ich habe Sie gefragt, warum Sie lügen.«
»Wovon reden Sie, verdammt noch mal? Ich hab Ihnen die Wahrheit erzählt. Genau wie der Polizei.«
»Ich kaufe Ihnen die Geschichte aber nicht ab«, gab ich zurück. »Sie haben sich das ausgedacht.«
»Sind Sie nicht ganz dicht? Sie war hier, stand direkt vor mir. Ist gerade mal zwei Tage her.«
»Ich glaube Ihnen, dass sie hier war. Aber das, was sie Ihnen erzählt haben soll, stinkt meilenweit gegen den Wind. Hat Ihnen jemand Geld für Ihre Lügen gegeben? So war’s doch, oder?«
»Wer zum Teufel sind Sie?«
»Habe ich Ihnen doch gesagt. Ich bin Reporter. Und ich kann es nicht leiden, wenn mich jemand an der Nase herumführt.«
»Schwachsinn«, entgegnete Ted Brehl. »Wenn Sie mir nicht glauben, lassen Sie sich doch das Band von der Polizei zeigen.«
»Welches Band?«
»Okay, ich sage Band, aber in Wahrheit ist es eine CD oder sonst irgendein digitaler Scheiß.« Er wies über seine Schulter auf eine kleine Kamera, die an einer Vorrichtung oben an der Wand befestigt war. »Sogar mit Ton. Nicht besonders toll, aber wenn man genau hinhört, kriegt man fast alles mit. Vor drei Jahren hat mich so ein Dreckskerl ausgeraubt. Das Arschloch hat sogar auf mich geschossen, da drüben an der Wand können Sie noch das Einschussloch sehen. Jedenfalls hab ich danach eine Kamera und ein Mikro installieren lassen.«
»Es gibt eine Aufzeichnung von dem Gespräch zwischen Ihnen und der Frau?«, fragte ich.
»Wenden Sie sich an die Cops. Die waren heute Morgen hier und haben das Band mitgenommen. Und jetzt hören Sie endlich auf, mich als Lügner hinzustellen!«
»Aber warum sollte sie so etwas sagen?«, murmelte ich, mehr an mich selbst gerichtet als an Ted.
Ich steckte mein Notizbuch wieder ein und ging zur Tür.
»He«, rief Ted
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