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Kein Erbarmen

Kein Erbarmen

Titel: Kein Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerold , Haenel
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Maschinenhäuser dienten als Trainingsräume, eine Reihe olivgrün gestrichener Wohncontainer beherbergte die Unterkünfte für die Hundeführer-Anwärter.
    Schon als Lisa und Tabori noch auf der Landstraße neben dem mit Natodraht bewehrten Zaun waren, hörten sie das Jaulen und Kläffen der Diensthunde aus den Zwingern. Rinty und Beago stellten unruhig die Ohren auf.
    Lisa setzte den Blinker und rollte langsam auf die Einfahrt zu. Der wachhabende Polizist in dem verglasten Pförtnerhäuschen winkte sie anstandslos weiter, kaum dass Lisa die Klarsichthülle mit dem mehrfach abgestempelten Formular vom Armaturenbrett gefischt und hochgehalten hatte. Nicht zum ersten Mal war Tabori verblüfft, wie einfach man sich mit einem amtstierärztlichen Gesundheitszeugnis für Hunde irgendwo Zutritt verschaffen konnte.
    »Ach nee, sieh mal einer an«, sagte er gleich darauf verblüfft. »Halt mal eben da drüben, bitte, hinter dem Bulli!« Er zeigte auf einen VW-Bus. Ein altes Modell, ein T3, mattschwarz gestrichen und auf beiden Seiten mit lodernden Flammen bemalt. Das Heckfenster war mit dunkler Folie blickdicht gemacht, in der Mitte prankte ein Aufkleber: SURFERS DO IT STANDING UP!
    Lisa lenkte den Ducato hinter den Bulli. »Was ist?«, fragte sie.
    »Kollegen«, sagte Tabori nur, während er bereits ausstieg.
    Er stiefelte zur Fahrertür des Bullis.
    Der Fahrer hatte ihn im Rückspiegel gesehen und kurbelte die Scheibe herunter.
    »Ach was, dich gibt’s also auch noch!«, begrüßte er Tabori grinsend.
    Die Frau neben ihm nickte und murmelte irgendwas wie »Unkraut vergeht nicht, sieht man ja an uns!«
    Beide trugen schwarze Kapuzenpullis und hatten billige Al-Fatah-Tücher um den Hals geschlungen, Tabori hätte wetten können, dass auch der Rest ihrer üblichen Verkleidung entsprach: ausgebeulte Cargohosen und Turnschuhe.
    Er verschränkte die Arme auf dem geöffneten Fenster und sagte mit einem Blick auf die pechschwarz gefärbten und hochgegelten Haare des Fahrers: »Du hast eine neue Frisur, alle Achtung, was ist passiert?«
    »So laufen die Typen jetzt alle rum.«
    »Die Typen« waren die Autonomen, die gewaltbereiten Linksradikalen, der sogenannte »Schwarze Block«, der dem Staatsschutz schon länger zunehmend Sorge bereitete. Irgendwelche findigen Polizeistrategen hatten vor einiger Zeit eine großangelegte »Präventivmaßnahme« ausgearbeitet, um mehr Einsicht in die Szene zu bekommen. Dass die Wahl der beteiligten Beamten dabei unter anderem ausgerechnet auf »Carlos« und »Ulrike« gefallen war, hatte Tabori von Anfang an als vollkommen schwachsinnig und bloßem Aktionismus geschuldet empfunden. Die beiden waren nicht nur deutlich zu alt, um noch als Angehörige der sich vor allem aus Studenten und Oberschülern rekrutierenden Zielgruppe durchzugehen, sondern durften auch allein schon aufgrund ihrer hoffnungslos bescheuerten Decknamen eher als Lachnummer in der linken Szene gelten. Und spätestens der VW-Bus sollte in einschlägigen Kreisen mittlerweile so bekannt sein,dass niemand mehr an ein paar gleich gesinnte Kumpels mit Surf-Ambitionen glaubte.
    Carlos und Ulrike waren durchaus kompetente Streifenbeamte gewesen, die Tabori mehrfach an irgendwelchen Tatorten getroffen hatte – und jedes Mal war er froh über die Ruhe und Zuverlässigkeit gewesen, mit der die beiden seine Arbeit unterstützten. Für den »Undercover«-Einsatz aber waren sie denkbar ungeeignet und verfügten über genug Selbsteinschätzung, um das auch zu wissen. Als Reaktion darauf versahen sie ihren jetzigen Dienst dann auch mit einer Art stoischem Gleichmut, der kaum noch zu überbieten war.
    Und soweit Tabori wusste, hatten sie bislang auch noch kein einziges Mal eine auch nur im Ansatz brauchbare Information weitergegeben …
    »Und? Was macht ihr hier?«, fragte Tabori mit der Betonung auf dem »hier«.
    »Frage zurück«, kam es von Ulrike, »was machst du hier? War da nicht irgendwas, dass du gar nicht mehr dazugehörst?«
    Tabori machte eine wegwerfende Handbewegung, die verdeutlichen sollte, dass das nicht weiter von Interesse war.
    »Also bist du sozusagen privat hier«, folgerte Carlos. »Und wir dürfen gar nicht mit dir reden. Wir dürfen dich eigentlich noch nicht mal kennen.«
    Er grinste wieder.
    »So ungefähr«, nickte Tabori.
    »Na, dann ist doch alles in Ordnung«, mischte sich Ulrike wieder ein. »Wir sind ja eigentlich auch nicht hier. Oder glaubst du ernsthaft, dass Typen wie wir hier irgendwas zu suchen

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