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Kein Erbarmen

Kein Erbarmen

Titel: Kein Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerold , Haenel
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preisgegeben, das ihn schutzlos machte …
    »Gib her«, sagte er unwirsch und schob die Fotografien wieder zu einem Stapel zusammen, um sie zurück in den Kartonzu legen. »Es ist manchmal, dass ich … es ist ein Traum von mir, verstehst du? Ich möchte eine Udstilling, eine Ausstellung machen mit diesen Motiven, die Fotos, die Zeichnungen, rostiges Eisen und geborstener Beton in den Dünen, der Widerspruch zwischen dem Frieden der Landschaft und dem, was ihr uns damals hinterlassen habt, aber niemand erinnert mehr, wofür es eigentlich steht …«
    »Ich glaube, ich weiß, was du meinst«, kriegte Tabori jetzt immerhin raus. »Ich kann es mir vorstellen und ich bin mir sicher, dass es funktionieren würde.«
    »Wirklich?«
    »Wirklich.«
    »Eine alte Fabrikhalle vielleicht, die leer steht, in einer Galerie kannst du das nicht machen …«
    »Seit wann machst du diese Fotos?«
    »Das meiste ist aus diesem Jahr, nur ein paar Bilder sind schon älter. Aber die Idee, was ich daraus machen könnte, hatte ich erst im Frühjahr.«
    »Warst du auch in einem von den Bunkern drin?«
    »In vielen. Aber du kommst nicht weit. Sie haben die Eingänge meistens zugemauert oder Schutt in die Stollen gekippt, damit keine Kinder hineinkriechen.«
    »Gibt es einen Bunker, in den man vielleicht doch noch weiter reinkommt? Oder der noch irgendwelche Seitenstollen hat, die unter der Erde weiterführen? Zum nächsten Bunker oder einem versteckten Ausgang?«
    »Höchstens in Skovsbjerg oben, das ist eine ganze Anlage da. Die alten Leute hier erzählen, dass es sogar mehrere Etagen unter der Erde gibt, aber das ist alles zugeschüttet.«
    »Warst du in letzter Zeit mal da oben?«
    »Nein, nur im Frühjahr, als ich die Fotos gemacht habe. Danach nicht mehr. Danach habe ich gemalt.«
    »Ich würde dir gerne die Zeichnung mit dem rostigen Armiereisen abkaufen«, sagte Tabori, ohne eigentlich einen Grund für seinen Entschluss zu wissen.
    »Ich verkaufe nichts davon. Kaufen kannst du nur die Fischkutter. Aber ich schenk dir das Foto dazu, hier!«
    Tabori bedankte sich. »Wenn du eine Ausstellung machst, würde ich gerne kommen.«
    »Gib mir deine E-Mail-Adresse, dann nehme ich dich in meinen Verteiler.«
    Tabori schrieb die Adresse auf einen Zettel.
    »Dein Deutsch ist übrigens ausgezeichnet«, sagte er zum Abschied.
    »Ich muss. Sonst kauft keiner. Die Touristen sind alle deutsch.«
    »Weil wir gerade von Touristen sprechen«, sagte Tabori. »Eine Frage noch: Ich hab auch ein Foto. Hast du die Frau schon mal gesehen?« Er zog das Foto aus der Tasche und hielt es dem Künstler hin.
    »Sie ist jung. Deine Tochter? Es ist eine Ähnlichkeit um die Augen herum.«
    »Nein, nein, ich habe keine Tochter, es ist nur …«
    »Ich kenne sie nicht.« Der Künstler schüttelte den Kopf. »Nie gesehen.«
    »Ich finde allein raus«, sagte Tabori.
    Einen kurzen Moment stand er unschlüssig auf der Dorfstraße. Dann stieg er in den Passat und klemmte das Foto aus dem Bunker in die Heizungsschlitze am Armaturenbrett. Der Bunker auf der Klippe von Skovsbjerg, hatte der Künstler gesagt.Tabori meinte sich zu erinnern, wo die Zufahrt abging. Ein Stück hinter Elsbets Hotel, noch am Campingplatz vorbei und dann irgendwo rechts.
    Er startete den Motor und fuhr langsam durch die Ortschaft zurück zur Landstraße. Hinter ihm drängelte ein Mitsubishi-Geländewagen, der Fahrer schien deutlich genervt und fuhr so dicht auf, dass Tabori im Rückspiegel nur noch den Kühlergrill mit der Batterie an Suchscheinwerfern sehen konnte.
    Prompt verpasste er im Kreisverkehr die Ausfahrt nach Lerup Strand, ein neuer Blick in den Rückspiegel zeigte ihm, dass der Mitsubishi immer noch an seiner Stoßstange klebte, Tabori rechnete jetzt jeden Moment mit dem Rammstoß von hinten, wenn der Kuhfänger des Geländewagens sich in das Heck seines Passats bohren würde.

10
    Seine Gedanken überschlugen sich. Sollte er versuchen, den Aufprall abzufangen, indem er sich mit aller Kraft gegen die Rückenlehne presste, oder war es besser, den Körper möglichst locker zu machen und auf die instinktiven Schutzmechanismen zu vertrauen, die ihn vielleicht vor einem Schleudertrauma retten würden? Er wusste es nicht. Er riss das Lenkrad herum und zwang den Passat mit quietschenden Reifen in die nächste Ausfahrt, das linke Vorderrad knallte böse über den Bordstein, nur um Haaresbreite verfehlte der Außenspiegel das Verkehrsschild auf dem kurzen Mittelstreifen, dann trat Tabori das Gaspedal

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