Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Erbarmen

Kein Erbarmen

Titel: Kein Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerold , Haenel
Vom Netzwerk:
Trockenheit anhalten, nie zur Allee heranwachsen können. Der Hof dann allerdings war stilvoll restauriert, die Mauern weiß gekalkt, im Hintergrund reckten sich unzählige Windräder in den Himmel.
    Tabori musste abrupt bremsen, als ihm an der Scheunenecke ein Wagen entgegenkam, der die gesamte Breite der Zufahrt für sich beanspruchte. Bevor er wirklich realisierte, dass es der Mitsubishi-Geländewagen war, war er auch schon in eine Staubwolke eingehüllt und hörte nur noch den Kies gegen das Blech des Passats spritzen, aber diesmal merkte er sich wenigstens das Kennzeichen und notierte sich die Buchstabenfolge auf einer Tankquittung.
    Zwei Hunde sprangen kläffend am Gitter ihres Zwingers hoch, ein Traktor blubberte im Leerlauf vor sich hin, ein Mann im ölverschmierten Overall wollte gerade auf den Sitz klettern, sprang aber wieder auf den Boden, als Tabori näher kam, und blickte ihn fragend an.
    »Ich wollte nur mal gucken«, sagte Tabori und zeigte auf die Tür mit der Aufschrift »Butik«.
    »Ist nicht mehr viel da«, kam die Antwort, »aber ein paar Socken habe ich noch und zwei oder drei Pullover. Kommen Sie!«
    Er winkte Tabori in den Laden, den Treckermotor ließ er laufen, als wäre ohnehin klar, dass Taboris Besuch nicht allzu lange dauern würde.
    »Der Laden wirft nichts mehr ab, wir werden zumachen müssen«, erklärte er mit einer flüchtigen Handbewegung zu den fast leeren Regalen hinüber. »Ich habe schon nichts mehr nachbestellt, die Touristen bleiben weg, Dänemark ist zu teuer, das kann sich keiner leisten. Vor zwei Jahren hatten wir noch über 8000 Kunden im Sommer, letztes Jahr waren es gerade 600, in diesem Sommer bisher dreißig oder vierzig. – Bei den Pullovern gebe ich Ihnen zwanzig Prozent, es nützt ja nichts, wenn die Sachen hier rumliegen.«
    Sein Deutsch hatte keinen Akzent, zumindest keinen dänischen, ein paar Lautverschiebungen ließen Tabori auf das Ruhrgebiet schließen.
    »Sie sind nicht von hier, oder?«
    »Rheinland. Aus der Nähe von Düsseldorf. Und so wie es aussieht, werden wir wohl zurückgehen.« Er streckte Tabori die Hand hin. »Ich bin Michael. Mikke für die Bauernköppe hier.«
    »Tabori.«
    »Auch noch nicht gehört.«
    Tabori verzichtete darauf zu erklären, dass Tabori sein Nachname war. Stattdessen sagte er: »Ungarische Vorfahren.«
    »Und wo kommst du her?«
    »Hannover.«
    »Datt jibbet ja woll nich«, verfiel Michael in seinen alten Dialekt. Begeistert spuckte er Tabori ein paar Namen entgegen: »Jane, Eloy, Scorpions, Epitaph, hab ich alles, die Platten, das ist meine Zeit, und die waren alle aus Hannover!«
    »Epitaph nicht«, korrigierte Tabori. »Die kamen aus Berlin. Aber der Gitarrist ist jetzt bei Jane, stimmt schon!«
    »Die gibt es immer noch? Ich denke, Peter Panka ist tot!«
    »Die Band spielt trotzdem noch, mit ein paar anderen Leuten, der Schlagzeuger kommt von Eloy.«
    »Hammer! Und du kennst die womöglich alle, was? Musst du ja, wenn du aus Hannover bist.«
    »Ein paar von ihnen kenne ich tatsächlich, aber das bleibt nicht aus, Hannover ist nicht so groß. Und von dir da aus der Ecke waren die Lilac Angels, richtig? Von denen habe ich nämlich noch eine Platte.«
    »Düsseldorf, ja! Hammer«, wiederholte Michael. »Darauf müssen wir aber einen trinken, du!«
    Er verschwand in einem Nebenraum und kam mit zwei Flaschen Bier zurück, von denen er Tabori eine hinstreckte. An der Außenseite perlte das Schwitzwasser herab, die Flasche war so kalt, dass Tabori sie kaum halten konnte.
    »Skål!«, prostete Michael ihm zu. »Auf den Krautrock!«
    Sie tranken.
    »Eine Frage habe ich jetzt aber an dich«, setzte Tabori an, bevor Michael womöglich noch mit Bands aus der hannoverschen Punkszene ankommen konnte, die es ja später auch gegeben hatte. Oder ganz und gar mit Winnie Martin und seinem One-Day-Hit »Heute fahr ich mit der Lambretta hin nach meinem Vetta.« Oder so ähnlich jedenfalls. Er zog das Foto der Anwärterin aus der Tasche. »Ich bin nicht ganz zufällig hier, kannst du dir das vielleicht mal ansehen? Sie war vor ein paar Tagen im Strandhotel von Lerup Strand, war sie vielleicht auch bei dir im Laden?«
    Michael warf nur einen flüchtigen Blick auf das Bild.
    »Blauer Nissan Micra«, nickte er dann. »Und sie hat einen Pullover gekauft. Olivgrün. Ich fand, die Farbe stand ihr nicht, aber sie wollte genau den. Sie hat gesagt, das würdegut zu ihrem Beruf passen. Sie war Hundeausbilderin bei der Polizei … warte mal, heißt das,

Weitere Kostenlose Bücher