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Kein Erbarmen

Kein Erbarmen

Titel: Kein Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerold , Haenel
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Steinhuder Meer zum beliebten Ausflugsziel der ansonsten mit besegelbaren Wasserflächen nicht gerade verwöhnten Hannoveraner avanciert war. Irgendeine halbwegs clevere Baupolitik hatte verhindert, dass aus den ursprünglich reinen Wochenendhäusern nicht längst die Bauhaus-Architektur imitierende Glas- und Betonschuppen geworden waren. Nach wie vor war diese Uferzeile als reines Sommerhaus-Gebiet ausgewiesen, dennoch erweckten vereinzelte Parzellen mit blickdichten Rolltoren und Gegensprechanlagen eherden Eindruck von Hochsicherheitstrakten. Nach den ersten hundert Metern gab Tabori es auf, die Kameras zu zählen, die seinen Weg verfolgten.
    Umso mehr war er dann überrascht, dass nicht auch Heinisch mit Hilfe von ein paar Segelwochenenden als Gegenleistung für die entsprechenden Amtsleiter die Baubestimmungen umgangen hatte, sondern sein Grundstück tatsächlich mehr oder weniger im Originalzustand belassen war. Ein flüchtiger Blick im Vorbeifahren zeigte ein Holzhaus in Schwedenrot mit weiß abgesetzten Fensterrahmen und Dachlatten, der Rasen neben der Zufahrt war lange nicht gemäht worden, eine bunte Kinderschaukel und ein kieloben aufgebocktes Ruderboot suggerierten bescheidene Ferienidylle. Einzig der schwarze Audi mit den Zivilbeamten auf den Vordersitzen wollte nicht so recht ins Bild passen.
    Als der Fahrer den Kopf drehte, um Taboris Nummernschild zu lesen, bremste Tabori ab und hielt auf Höhe des Audis an. Er ließ das Seitenfenster herunter und signalisierte, dass er eine Frage habe. Das Spiel funktionierte. Zivilpolizisten sind es nicht gewohnt, angesprochen zu werden. Sie sind diejenigen, die andere anhalten, jede Abweichung von diesem Muster führt zwangsläufig zu Irritationen. Entsprechend war auch der Gesichtsausdruck der beiden Beamten, als der Fahrer jetzt ebenfalls die Scheibe herunterließ und sie Tabori eher verblüfft als argwöhnisch musterten.
    Nur mit Mühe konnte sich Tabori ein Grinsen verkneifen, die beiden Gestalten erinnerten ihn augenblicklich an die Actionhelden aus Cobra Elf, sogar die Konstellation stimmte. Der Fahrer war klein und trug eine Art Joggingjacke, sein Kollege im schwarzen Hemd und mit den dunklen Bartschattenim narbigen Gesicht gab den Gideon Burkhard des Gespanns.
    »Entschuldigung«, sagte Tabori, »ich muss mich verfahren haben. Ich will einen alten Freund besuchen, der hier irgendwo wohnt, es soll eine Überraschung sein, aber ich habe die genaue Anschrift zu Hause liegen lassen. Blöd, ich weiß, aber vielleicht haben Sie ja schon mal von ihm gehört, Klaus Schulze«, nannte er den erstbesten Namen, der ihm einfiel, »war früher Rockmusiker, er hat hier irgendwo sein Studio …«
    »Hier nicht«, kam unwillig die Antwort des Fahrers. »Hier gibt es kein Tonstudio. Ist ein reines Wochenendhaus-Gebiet.«
    »Ja dann«, meinte Tabori und klang so aufrichtig enttäuscht, dass er selber von seinen schauspielerischen Fähigkeiten überrascht war, »dann weiß ich auch nicht weiter. – Kann ich da hinten wenden, wissen Sie das?«
    »Sie brauchen nicht zu wenden, die Straße führt im Bogen zurück, sie landen von ganz alleine wieder im Ort.«
    »Warum rufen Sie ihn nicht an?«, kam es fast gleichzeitig vom Beifahrersitz.
    »Stimmt schon, aber dann wäre die Überraschung ja keine Überraschung mehr.«
    »Unter irgendeinem Vorwand natürlich«, gab sich der Beamte alle erdenkliche Mühe, dem offensichtlich ein bisschen schwerfälligen Tabori auf die Sprünge zu helfen. »Einfach, ›He, Alter, ich bin’s, gib mir mal eben deine Adresse, ich will dir was mit der Post schicken!‹ So was in der Art, eine CD vielleicht, das passt doch, Sie haben doch gesagt, er hat ein Tonstudio.«
    »Das ist eine Idee«, nickte Tabori. »Das mache ich. Ich fahrenur noch mal bis zum Ende, ob ich das Haus vielleicht auch so wieder erkenne, und sonst mache ich das. Danke!«
    »Sag ich doch, es gibt immer eine Lösung.«
    Tabori hob noch mal die Hand zum Gruß und ließ die Kupplung kommen. Mit ein bisschen Glück würden die beiden jetzt erstmal keinen müden Gedanken mehr daran verschwenden, Taboris Kennzeichen überprüfen zu lassen, sondern stattdessen vollauf damit beschäftigt sein, sich über den Typen zu amüsieren, der es noch nicht mal auf die Reihe kriegte, einen alten Kumpel zu besuchen.
    Kurz bevor die Straße sich wieder nach rechts vom Ufer entfernte, war ein kleiner Parkplatz für einige der wenigen öffentlichen Badestellen. Tabori schaltete das Licht aus und wartete

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