Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Erbarmen

Kein Erbarmen

Titel: Kein Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerold , Haenel
Vom Netzwerk:
willst, entscheide du das. – Ich muss noch meine Sachen zusammensuchen, Kuss. Lisa.
    PS. Was hast du da heute Morgen mit meinem Vater besprochen? Er sagt, ihr hättet zusammen eine prima Idee gehabt. Will ich davon wirklich etwas wissen?
    Tabori hatte den Brief wortlos an Lepcke weitergereicht und, während Lepcke las, in seinem Zimmer schnell ein paar Sachen zusammengesucht. Zum ersten Mal seit langem wünschte er sich, seine Dienstwaffe noch zu haben.
    Lepcke hatte ihm den Brief zurückgegeben, was er dazu dachte, hatte er nicht gesagt, Tabori hatte auch nicht nachgefragt. Dann waren sie losgefahren.
    Sie waren jetzt kurz vor Hamburg, der Verkehr wurde dichter. Lepcke gab die Überholspur für einen mit Lichthupe drängelnden BMW frei, gleich darauf sagte er unvermittelt: »Glaubst du wirklich, dass sie einen Täter laufen lassen würde, wenn sie seine Tat für hinreichend begründet hält?«
    »Schwer einzuschätzen. Ich denke, es hat was mit ihrer Geschichte zu tun, die Sache mit ihrem Bruder, du weißt schon.«
    »Aber deshalb kann noch lange nicht jeder das Recht in seine eigenen Hände nehmen wollen, jedenfalls nicht, solange wir in einem Rechtsstaat leben, mit Exekutive und Legislativeund klaren Zuweisungen von Verantwortlichkeiten. Alles andere wäre nacktes Chaos.«
    »Ich fürchte nur, dass Lisa genau das mittlerweile bezweifelt.«
    »Was? Dass wir sonst nur noch Chaos hätten?«
    »Dass wir in einem funktionierenden Rechtsstaat leben.«
    Lepcke schwieg einen Moment, bevor er fragte: »Und du? Was ist mit dir?«
    »Ich bin nicht mehr bei der Polizei, vergiss das nicht. Aber wenn du schon fragst: Auch als Polizist würde ich wahrscheinlich immer noch eher dazu tendieren, mich zu arrangieren, die Grenzen zu akzeptieren, die der Job zwangsläufig mit sich bringt. Wie du es gesagt hast, die Aufgaben sind klar verteilt. Das Einzige, was du als guter Polizist machen kannst, ist, dass du deinen gesunden Menschenverstand einsetzt und dein Rückgrat nicht verlierst. Es geht um das Selbstverständnis, das du von deinem Beruf hast, und als Polizist kann das nur bedeuten, dass du dich als Anwalt derjenigen siehst, die ohnehin immer die Schwächeren sind. ›Dein Freund und Helfer‹ trifft es eigentlich ganz gut.«
    Lepcke nickte.
    »Es gibt doch da diesen Verein«, sagte er dann. »Kritische Polizisten, weißt du eigentlich mehr darüber?«
    »Die Kritischen«, präzisierte Tabori. »Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten. Gute Leute, wenn du mich fragst. – Der Vater von Anna Koschinski war übrigens auch dabei, oder ist es immer noch. Er hat allerdings auch erzählt, dass sein Beitritt ziemlich deutlich dazu geführt hat, dass er frühpensioniert wurde.«
    »Was? Und damit rückst du erst jetzt raus? Hör mal, ist dasnicht auffällig, ich meine, dass ausgerechnet eine Polizistin ermordet wird, deren Vater …«
    »Ich habe gesagt, dass sie ihn abgeschoben haben, nicht, dass sie ihm gedroht hätten oder dass es ganz und gar lebensgefährlich wäre, eine kritische Haltung zu zeigen.« Er zeigte Lepcke einen Vogel. »Du spinnst, so weit sind wir zum Glück noch nicht.«
    Es dauerte einen Moment, bis Lepcke antwortete.
    »Aber es bleibt dabei, dass wir beide doch sehen, wohin der Polizeiapparat sich offensichtlich entwickelt, also müssten da nicht gerade Leute wie wir …«
    »Du! Mich geht das nichts mehr an. Überschätz mich nicht, ich bin nicht unbedingt der, den du vielleicht gerne in mir sehen würdest. Ich war ein guter Ermittler, aber das ist auch schon alles. Es ist klar, was du meinst, ich habe auch ein paar Mal darüber nachgedacht, aber ich hatte genau die Sorge, dass das passieren würde, was bei Annas Vater passiert ist, dass sie mich umgehend auf irgendein Abstellgleis schieben! Und ich wollte ermitteln, und nicht an irgendeinem Schreibtisch versauern.«
    »Komisch«, sagte Lepcke. »Wieso haben wir über solche Sachen eigentlich nie miteinander geredet? – Nein, schon gut, das ist kein Vorwurf jetzt, es gehören immer zwei dazu! Ich wollte mich übrigens noch mal bei dir entschuldigen, wegen meiner Anwürfe heute Morgen. Ich war nicht ganz bei mir. Ich war sauer und verletzt und wollte dir echt eins auswischen, das war es.«
    »Geschenkt. Wie du gesagt hast, es gehören immer zwei dazu. Und es ist sicher einiges dran an dem, was du mir vorgeworfen hast.«
    »Jetzt fang nicht an zu heulen«, grinste Lepcke plötzlich.
    Tabori fummelte die Zigaretten aus seiner

Weitere Kostenlose Bücher