Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)
Prioritäten setzen können, und seine Mutter und er hatten das weitgehend im Griff. Dadurch war mehr Zeit zum Nachdenken geblieben, mehr Zeit, sich die Zukunft durch den Kopf gehen zu lassen, und zum ersten Mal in seinem Leben sehnte sich Luke am Ende eines Arbeitstags manchmal nach jemandem, mit dem er sich beim Abendessen unterhalten konnte, jemand anderem als seine Mutter.
Der Wunsch nach einer Beziehung beherrschte nicht unbedingt seine Gedanken, aber er war nicht zu leugnen. Das einzige Problem war, dass Luke nicht die blasseste Ahnung hatte, wie man so etwas anstellte ... Und seit er wieder ritt, war er erneut zu beschäftigt und abgelenkt.
Und dann, aus heiterem Himmel und als er am wenigsten damit rechnete, hatte er Sophia kennengelernt. Doch obwohl er den Großteil des Vormittags an sie gedacht und überlegt hatte, wie es sich wohl anfühlen würde, durch ihre Haare zu streichen, glaubte er nicht, dass etwas Ernstes daraus wurde. Sie hatten nichts gemeinsam. Sophia studierte, auch noch ausgerechnet Kunstgeschichte, und nach dem College würde sie fortziehen, um irgendwo in einem Museum zu arbeiten. Genau genommen hatten sie überhaupt keine Chance, doch im Geiste sah er immer wieder vor sich, wie sie unter den Sternen auf der Ladefläche seines Pick-ups gesessen hatte. Vielleicht, vielleicht konnte es ja trotz allem mit ihnen klappen.
Hastig erinnerte er sich daran, dass sie einander kaum kannten und er wahrscheinlich viel zu viel in den vergangenen Abend hineininterpretierte. Ob er allerdings wollte oder nicht, er musste zugeben, dass ihr bevorstehender Besuch ihn nervös machte.
Nach dem Holzhacken räumte er bei sich zu Hause auf und fuhr mit dem Gator auf die Weide, um das Wasser abzustellen. Dann ging er kurz ein paar Sachen einkaufen, damit der Kühlschrank gefüllt war. Er war nicht sicher, ob sie in sein Haus käme, aber falls ja, wollte er vorbereitet sein.
Selbst als er unter die Dusche ging, dachte er an Sophia. Er hob sein Gesicht in den Wasserstrahl und fragte sich, was um Himmels willen bloß in ihn gefahren war.
U m Viertel nach eins saß Luke in einem Schaukelstuhl auf der Veranda seines Hauses, als er ein Auto langsam über den unbefestigten Weg fahren hörte und Staub in die Baumkronen aufstieg. Hund lag zu seinen Füßen, neben den Cowboystiefeln, die Luke im Schrank seiner Mutter gefunden hatte. Das Tier setzte sich auf, spitzte die Ohren und sah Luke an.
»Los, hol sie«, forderte er ihn auf, und Hund trabte sofort davon. Luke hob die Stiefel auf und trat von der Veranda auf die Wiese. Er winkte mit seinem Hut, um sich durch das Gestrüpp, das die Auffahrt säumte, bemerkbar zu machen. Geradeaus käme Sophia zum großen Wohnhaus. Zu ihm hingegen musste sie an einer bestimmten Stelle zwischen den Bäumen abbiegen und einer ins Gras gefahrenen Spur folgen. Ein Kiesbelag hätte nicht geschadet, aber das war noch ein Posten auf seiner langen To-do-Liste, den er bisher immer aufgeschoben hatte. Es war ihm nie wichtig gewesen, aber nun, da Sophia ihn besuchte und sein Herz schneller als normal schlug, wünschte er, er hätte es längst erledigt.
Zum Glück wusste Hund, was er zu tun hatte. Er war vorausgelaufen und stand nun wie ein Wachposten auf dem Hauptweg, bis Sophia bremste. Dann bellte er auffordernd und trottete in Lukes Richtung. Wieder schwenkte Luke den Hut, und endlich entdeckte sie ihn und wendete. Kurz darauf hielt sie unter einer hohen Magnolie.
Sie stieg aus, in einer engen, ausgebleichten Jeans mit Löchern an den Knien, frisch wie der Sommer. Mit ihren fast katzenhaften Augen und den leicht slawischen Gesichtszügen sah sie im Sonnenlicht noch umwerfender aus als am Vorabend, und Luke konnte sie nur anstarren. Er ahnte bereits, dass er in Zukunft immer, wenn er an sie dachte, dieses Bild vor sich sähe. Sie war zu schön, zu exotisch für diese ländliche Umgebung. Als sie jedoch das Gesicht zu ihrem breiten, freundlichen Lächeln verzog, spürte er, dass sich etwas in seinem Inneren lichtete, als bräche die Sonne durch den Nebel.
»Tut mir leid, dass ich so spät bin!«, rief sie, während sie die Autotür zuschlug. Sie klang nicht annähernd so nervös, wie er war.
»Macht gar nichts.« Er setzte den Hut wieder auf und steckte die Hände in die Taschen.
»Ich bin einmal falsch abgebogen und musste zurückfahren. Aber so konnte ich mir King ein bisschen ansehen.«
Er trat von einem Fuß auf den anderen. »Und?«
»Du hattest recht. Nicht besonders schick,
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