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Kein Schlaf für Commissario Luciani

Kein Schlaf für Commissario Luciani

Titel: Kein Schlaf für Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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klargemacht hatte, dass es
die
Wahrheit nicht gab. Und dass am Ende immer die Wahrheit des Stärkeren siegte.
    Zur Abendessenszeit legte er sich eine Zuckerrübe und einen halben Mozzarella auf den Teller, aber er ließ sie fast unberührt. Die Vergangenheit lag ihm noch im Magen, die Gegenwart war ein Seil über einem Abgrund, kurz davor, zu reißen, und auf der gegenüberliegenden Seite des Canyons erwartete ihn ein unbekanntes, feindseliges Land. Sein zweites Leben, das des Polizisten, stand vor dem Ende, und er hatte keine Ahnung, wie sein drittes aussehen würde.
    Er legte sich vor elf Uhr ins Bett und hoffte, damit den Spannungskopfschmerz zu vertreiben, der in seinem Nacken pochte. Die Hitze war inzwischen drückend, und zum ersten Mal in diesem Jahr ließ er das Fenster einen Spaltbreit offen, um ein wenig frische Luft abzubekommen. Er versuchte, alle Gedanken zu verscheuchen, und nach fünf, sechs Minuten spürte er, dass die einzelnen Stiche in seinem Kopf zwar länger wurden, aber weniger heftig, dass sie an Kraft verloren und sich in einem Meer der Stille auflösten. Wenn ich acht Stunden am Stück schlafen kann, bin ich sie los, dachte er. Oder sieben. Wenn es ein richtiger Tiefschlaf ist, reichen auch sechs.
    |45| Als er gerade am Einschlafen war, hörte er ein Motorrad vom Ende der Straße kommen. Noch war es mindestens zweihundert Meter entfernt, aber der Lärm war schon ohrenbetäubend, er ließ die Pflastersteine vibrieren und verfing sich im Schalltrichter der engen Gasse. Der Fahrer, wahrscheinlich ein Dealer, der gerade seine Straßenverkäufer belieferte, riss genau unter Lucianis Fenster das Gas auf und raste die Steigung hinauf. Auf der Startbahn eines Flughafens hätte man sich wohler gefühlt.
    Das Ganze hatte höchstens zehn Sekunden gedauert, aber jetzt war Marco Luciani wieder vollkommen wach, und sein Kopfschmerz pickte in der Augenhöhle wie der Schnabel eines Geiers, der sich einen Weg ins Hirn bahnen will: Tack, tack, tack.
    Ihr Hurensöhne, dachte er. Irgendwann werdet ihr dafür büßen.
    Er stand auf, ging ins Wohnzimmer, und da er wieder wach war, warf er aus reiner Gewohnheit einen Blick auf den Videotext. Als er die Nachricht von dem ermordeten Mädchen aus Rapallo las, spürte er einen Moment lang einen instinktiven Kitzel, er hob den Kopf wie ein hungriger Wolf, der die Witterung eines Hirschs aufgenommen hat. Dann presste er die Kiefer aufeinander und ließ sich wieder aufs Sofa sinken. Er wusste nicht, ob er Giampieri beneiden oder bedauern sollte.

|46| Dienstag
    Giampieri
    Nicola Giampieri kam deutlich vor acht ins Kommissariat. Er war gegen drei Uhr nachts, als das Adrenalin endlich zu pumpen aufgehört hatte, plötzlich in Tiefschlaf gefallen, aber um sieben war er schon wieder wach und voller Energie. Auf seinem Schreibtisch fand er einen Stapel Zeitungen vor. Viele hatten dem Fall Ameri die größte Schlagzeile gewidmet, und alle zeigten dasselbe Foto von Barbara, auf dem sie fröhlich lächelte. Er nahm den Stoß und warf ihn direkt in den Papierkorb.
    Wenn wir den Fall nicht sofort lösen, wird er der Dauerbrenner fürs Sommerloch, dachte er.
    Er versuchte, Inspektor Vitone anzurufen, einen jungen Burschen, der vor wenigen Monaten aus Rom gekommen war: Klein und schmächtig, aber sehr selbstsicher, hatte er sich als unübertrefflicher Jäger in Papier- und EDV-Archiven erwiesen. Er war schon bei der Arbeit, und nach zwei Minuten stand er in Giampieris Büro.
    »Hier sind die Informationen, nach denen du gestern gefragt hattest, Ingegnere«, sagte er und legte einen Lebenslauf auf den Tisch.e
    Giampieri fing an, ihn zu überfliegen. »Monica Serra, geboren in Frosinone am 13. November 1966. Wohlhabende Familie … Schulbildung in verschiedenen Städten … Privatschulen … Studienabschluss an der Uni ›La Sapienza‹ in Rom. Staatsexamen in Catanzaro, na bravo. Erste Anstellung in Matera, dann Lecco, Rovigo, Ancona. Anschließend Vercelli und jetzt Rapallo. Das ist nicht viel. Wichtige Fälle?«
    |47| »Fehlanzeige. In ihrer gesamten Laufbahn sind ihr gerade mal drei Mordfälle untergekommen: einer in Vercelli, wo ein Psychopath seine Ex-Frau auf der Straße, vor allen Leuten, kaltgemacht hat. Ein anderer in Ancona, ein Mord mit anschließendem Selbstmord, ein krankes Greisenpaar. Der dritte in Rovigo: ein Albaner, der seine Freundin, die er auf den Strich schickte, gemeuchelt hat. Den haben sie praktisch sofort geschnappt.«
    »Immerhin hat sie eine

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