Keine Entschuldigungen
Apartment keine acht Stunden, nachdem er ihr gesagt hatte, dass er sie liebte. Sie schnaubte. Das zum Thema Liebe.
Aber es war nicht Gabe, auf den sie wütend war. Nein, sie war auf sich böse, weil sie ihm geglaubt hatte. Weil sie begonnen hatte, ihm zu vertrauen. Weil sie all die mühsam erlernten Lektionen und Warnzeichen ignorieren wollte, die sie im Laufe der Jahre gesammelt hatte.
Nein, es war nicht Gabes Fehler, dass sie alles, was sie wusste, beiseitegeschoben und begonnen hatte, sich in ihn zu verlieben. Also, sie war beinahe im Begriff gewesen, sich in ihn zu verlieben, korrigierte sie sich in Gedanken, als sie am Bordstein verharrte, um die Straße zu überqueren. Sie wich einer großen Pfütze aus. Sekunden später fuhr ein Wagen rechts auf die Straße und steuerte so schwungvoll durch die Pfütze, dass sie vom Regenwasser von oben bis unten nassgespritzt wurde.
Annalise biss verärgert die Zähne zusammen. Was war nur in sie gefahren, dass sie ausgerechnet an diesem Morgen zur Arbeit laufen wollte? Sonst ging sie nie zu Fuß zur Arbeit. Nie. Also warum ausgerechnet heute, dem schlimmstmöglichen Tag, den sie sich hätte aussuchen können, um mit einem Marsch über anderthalb Meilen in Form zu kommen? Weil sie geglaubt hatte, der Spaziergang würde ihre Gedanken von Gabe ablenken, dachte sie reumütig. Eigentlich liebte sie die Innenstadt – viele Menschen waren auf der Straße unterwegs, Autos hupten und fuhren eilig vorbei. Es war schwierig, sich darauf zu konzentrieren, in Selbstmitleid zu zerfließen, während sie von so vielen anderen Leuten umgeben war, die so viele verschiedene Sachen machten.
Aber es hatte nicht funktioniert. Gabe war noch immer beherrschendes Thema ihrer Gedanken, und das machte sie einfach wahnsinnig. In den letzten Jahren hatte sie zu hart daran gearbeitet, ihre Verletzlichkeit zu verbergen, um jetzt in alte Muster zurückzufallen, nur weil ein Kerl ihr erzählte, er würde sie lieben. Und dann verschwand. Konnte sie eine größere Idiotin sein?
Während sie an der Ampel auf grün wartete, um eine weitere von Pfützen übersäte Straße zu überqueren, fuhr wieder ein Wagen an den Bordstein. Ihr Herz sank bis in die Knie, als sie merkte, dass es ein dunkelblauer Acura war.
„Soll ich dich mitnehmen?“, fragte Gabe, nachdem er das Fenster heruntergelassen hatte. „Du wirst noch völlig durchnässt.“
Völlig durchnässt? Sie war bereits nass – bis auf Höschen und BH war sie pitschnass. Spielte es überhaupt eine Rolle, dass sie Gabe endlich wiedersah und ausgerechnet in diesem Moment so schlimm aussah wie überhaupt möglich? Was zur Hölle hatte sie in einem früheren Leben angestellt, dass sie dieses beschissene Karma verdiente?
Sie wollte ablehnen, weil sie sich davor fürchtete, was sie vielleicht auf dem Weg nach Hause sagen konnte. Aber zugleich wollte sie nicht, dass er glaubte, sie habe Angst vor ihm. Sie wollte ihn nicht wissen lassen, dass er es geschafft hatte, ihr wehzutun, obwohl sie sich alle Mühe gegeben hatte, dass es anders kam.
Sie warf ihr regennasses Haar nach hinten und zuckte mit der Schulter. „Klar.“ Er beugte sich herüber und öffnete die Beifahrertür für sie. Immer höflich. Sie schlüpfte ins Auto. „Ich werde den Lederbezug ruinieren“, bemerkte sie, als sie die Tür schloss.
„Das bezweifle ich“, erwiderte er grinsend. „Kühe werden ständig nass.“
„Danke, dass du mich mitnimmst. Ich fand, heute wäre ein genauso guter Tag wie jeder andere, um besser in Form zu kommen, darum bin ich zur Arbeit gelaufen.“ Sie verzog das Gesicht. „Ich hätte vorher den Wetterbericht hören sollen.“
„Wir leben in San Diego. Wer hört denn da überhaupt den Wetterbericht?“
Annalise grinste ihn an, ehe sie sich daran hindern konnte. „Genau.“
Er blickte zu ihr herüber. Seine Augen waren dunkel, und obwohl sie die Personifikation eines begossenen Pudels darstellte, leuchtete etwas Anerkennendes darin auf. „Übrigens siehst du in meinen Augen großartig aus.“
Sie lachte. „Meine Güte, welche Frau sieht nicht toll aus, wenn ihr die Mascara übers Gesicht rinnt?“
Siehst du, dachte sie, es ist gar nicht so schlimm. Sie musste nur ein bisschen harmlose Konversation machen, bis er sie an ihrem Wohnkomplex absetzte, und dann musste sie ihn nie wiedersehen. Musste sich nie wieder fragen, wie es ihm ging.
Was blieb, war ihr Herz, das bei dieser Aussicht erste Risse bekam. Verdammt, wann hatte sie sich in eins dieser
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