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Keine Pille gegen Mord

Keine Pille gegen Mord

Titel: Keine Pille gegen Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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Art, wie sie die Kärtchen sortierte, jedes einzelne fünfmal in
die Hand nahm, um sich zu vergewissern, daß sie auch keinen Fehler gemacht
hatte. Ihre weiße Tracht knitterte, wenn sie sich bewegte, und sie schien steif
genug, sie aufrechtzuhalten, auch wenn sie in Ohnmacht fiel. Es war ein wahres
Wunder, daß der Stoff sich soweit hatte biegen lassen, daß sie sitzen konnte.
    »Sind Sie fertig beim Herrn
Doktor ?« fragte sie.
    »Mir scheint eher, er ist mit
mir fertig«, sagte ich.
    Sie blinzelte.
    »Was war denn Ihre Meinung über
Rhoda Birrel ?« fragte ich rasch.
    »Es tut mir leid, Mr. Roberts,
aber es steht mir nicht zu, mich über Dr. Huffords Patienten auszulassen .« Das hatte man ihr wohl schon
auf der Schwesternschule beigegebracht — aber ihre blassen Lippen hatten sich
bei der Erwähnung von Rhodas Namen fest zusammengepreßt.
    »Sicher freut es Sie zu hören,
daß Rhoda wahrscheinlich bald hierher zurückkommt«, sagte ich.
    Ihre Züge verkrampften sich,
und ich hörte einen leisen Seufzer. »Ja, natürlich«, sagte sie schlicht.
    »Wußten Sie das schon ?« fragte ich.
    »Nun, ich habe es angenommen .« Sie furchte die Stirn und blickte unsicher auf ihre
Kärtchen nieder. Ich war ein Störenfried.
    »Dann hat es Ihnen der Doktor
gesagt ?« forschte ich und lächelte so freundlich wie
möglich.
    »Nein, eigentlich nicht.« Sie
blickte nervös zur inneren Tür. »Bitte, Mr. Roberts, ich muß meine Arbeit
erledigen. Würden Sie mich jetzt entschuldigen ?«
    »Jedenfalls vielen Dank, Mrs. ...?«
    »Chambers.«
    »Mrs. Chambers. Mir scheint,
Sie haben ziemlich viele Patienten hier .«
    »Es reicht, um mich in Trab zu
halten, Mr. Roberts .«
    Ich folgte dem Zaunpfahlwink
und ging hinaus. Der kiesbestreute Pfad wand sich durch einen Park, der fix und
fertig geliefert sein mochte. Alles war hübsch ordentlich und sauber. Ich
berührte im Vorbeischlendern ein Blatt einer kugelförmig zurechtgestutzten
Pflanze, um mich zu überzeugen, daß sie nicht aus Plastik war.
    Als ich die Wagentür öffnete,
warf ich einen letzten Blick auf das weiße Gebäude hoch oben auf der kahlen Klippe
über dem Ozean. Dahinter zog sich dichtes Latschengehölz einen Hang hinauf bis
zur Kuppe des Berges. Der Wind drückte gegen die Äste, und so sahen die
Krüppelkiefern aus wie lauter grünhaarige Hexen im Hurrikan.
    Ein guter Platz, um die Dinge
aus neuer Perspektive zu sehen, dachte ich, während ich über die Küstenstraße
nach Humboldt Creek preschte.
     
    Der alte Mann mit der
Schrotflinte und den zwei Jagdhunden trottete neben der Straße her, auf einer
Geraden etwa fünf Kilometer vom Sanatorium entfernt, wo die Trasse landeinwärts
schwenkte. Zu beiden Seiten stand dichter Wald, von Häusern war nirgends etwas
zu sehen.
    Ich bremste und hielt etwa
dreißig Meter vor ihm. Ein paar Sekunden später war er heran.
    »Glück gehabt ?« fragte ich. Diese Gesprächseinleitung stufte mich garantiert als unwissenden
Stadtmenschen ein, das war mir klar, aber sie war immer noch besser als ein
Kommentar zum Wetter.
    »Nein«, sagte er. Er blieb
stehen und begutachtete mit harten Augen.
    »Kennen Sie das Sanatorium auf
dem Berg da hinten ?« fragte ich.
    »Ich kenn’s .«
    Einer der Hunde begann an einem
Vorderrad zu schnuppern, aber ich verschluckte meinen Stolz und achtete nicht
darauf.
    »Ich bin ein Bekannter und auch
der Anwalt einer Patientin. Sie war bis vor etwa zwei Wochen dort. Ein schönes
dunkelhaariges Mädchen, ungefähr einsfünfundsechzig .
Name Rhoda Birrel. Kannten Sie sie ?«
    Seine Miene änderte sich etwa
so wie ein Granitblock beim Gewitter. Nichts bewegte sich, aber Dunkel umwölbte
seine Augen.
    »Ich hab’ sie gesehen«, sagte
er. »Auch von ihr gehört. Von den Birrels hat hier jeder schon gehört .«
    Ich nickte und lächelte
freundlich. »Weiß ich«, sagte ich. »Das sind schon komische Leute. Aber Rhoda
macht uns am meisten Kummer. Sie ist ja so durcheinander. Ich hielt an, weil
ich dachte, Sie hätten sie vielleicht im Lauf des letzten Jahres am Sanatorium
mal gesehen .«
    Der Alte nickte und setzte das
Gewehr mit dem Kolben auf die Straße. Der zweite Jagdhund ging hin und näßte
mein Vorderrad, dann setzte er sich neben sein Herrchen und beäugte mich
gleichgültig. »Ich hab’ sie gesehen. Klar. Warum?«
    »Gott ja...« Ich wollte ihn zum
Reden bringen, vielleicht erfuhr ich etwas über Rhoda, was ich noch nicht
wußte, aber was sollte ich ihn fragen? »Ist sie Ihnen verrückt vorgekommen ?«

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