Keltengrab: Thriller (German Edition)
verschmierten Fenster, der Strahl der Lampe auf den blutgetränkten Sitzpolstern. »Aber wie schaffte es Traynor, aus dem Wagen zu kommen?«
»Ich glaube, mein erster Verdacht war richtig. Er wurde nach draußen geschleift und dann verstümmelt.«
Ich sah Traynor mit den Händen vor dem Gesicht daliegen. »Ich glaube, er kam auch noch einmal zu sich.«
»Das fürchte ich auch. Aber bei diesem Blutverlust kann es nur für kurze Zeit gewesen sein. Was ich überhaupt nicht verstehe, ist, dass man ihm die gleichen Wunden beigebracht hat, wie sie die Tote im Leichenschauhaus hat. Das kann ja nur bedeuten, jemand muss da drin gewesen sein.« Er sah mich bestürzt an. »Wir haben den Schlüssel eine Zeit lang bei Ihrem Team gelassen. Wir müssen überprüfen …«
»Das habe ich schon getan. Sie haben den Schlüssel niemandem gegeben. Aber es war tatsächlich jemand während unserer Abwesenheit im Leichenschauhaus: Frank Traynor.«
»Traynor? Das ergibt keinen Sinn. Was macht Sie da so sicher?«
»Sein Aftershave. Ich habe es wieder bemerkt, als ich neben ihm niederkniete. Derselbe Geruch, der mir im Leichenschauhaus in die Nase stieg, wissen Sie noch?«
»Aber was hat er dort gemacht?«
»Das ist mir auch ein Rätsel. Ich glaube nicht, dass er dort war, um sich Mona anzusehen.« Ich erzählte ihm, wie das Tuch über dem Kind verrutscht war.
»Aber wieso ?«
»Lassen Sie uns noch einmal auf das Baby zurückkommen. Wurde es tot geboren oder lebend? Oder wurde es überhaupt geboren?«
»Es wurde auf jeden Fall entbunden – es gibt keine Spuren von anhaftender Plazenta, wenngleich sich aus dem Nabelstumpf schwer feststellen lässt, ob die Nabelschnur durchtrennt wurde oder einfach weggeschrumpft ist. Tot- oder Lebendgeburt? Schwer zu sagen. Solange ein Neugeborenes nicht mindestens sechsunddreißig Stunden geatmet hat, ist es schwierig, bei einer Autopsie zwischen beidem zu unterscheiden. Doch selbst wenn es bei der Geburt in gewisser Weise am Leben war, das arme Ding hat mit Sicherheit nie einen Atemzug gemacht. Dazu war es physisch nicht in der Lage.«
»Was geben Sie also als Todesursache an?«
»Multiple strukturelle Anomalien, unvereinbar mit Leben.«
»Und was verursacht diese … Anomalien?« Laut Finian war Monashee selbst eine Anomalie.
»Fehlende Ausbildung des Gehirns, zunächst einmal.« Ich erinnerte mich an den grauen Klumpen, der in der abgesägten Knochenschale gelegen hatte. »Es hat sich nicht in zwei Hirnhälften geteilt, und da im heranwachsenden Fötus ein Austauschprozess zwischen Gehirn und Schädelbildung stattfindet, resultiert daraus eine Anomalie in der Symmetrie des Gesichts – am deutlichsten daran zu erkennen, dass es nur eine Augenhöhle hat.«
»Aber es hatte zwei Augen, nicht nur eins.«
»Stimmt, aber miteinander verschmolzen. Früher dachte man, unsere Augen würden sich getrennt entwickeln, aber neuere Forschungen deuten darauf hin, dass die Augenfelder beim Fötus als eines beginnen und sich dann erst aufteilen. Wenn dieser Prozess nicht stattfindet, führt das zu Zyklopie. Mit einem oder zwei Augen, oder gelegentlich auch nur einem Schlitz ganz ohne Auge. Und wie Sie gesehen haben, kann sich die Augenhöhle an der Stelle befinden, wo normalerweise die Nase hervortreten müsste, während die Nase oberhalb des Auges sitzt. Aber was heißt ›Nase‹ – eigentlich ist es nur eine Hautröhre ohne Öffnung.«
»Um Himmels willen …« Es fiel mir zunehmend schwer, unberührt zu bleiben. Aber es ging nicht um Mitleid für das Ding, eher um eine weibliche Urangst, ein solches Zerrbild der Natur in mir tragen zu müssen. »Das kommt mir vor wie ein schrecklicher genetischer Witz.«
»Das ist es in gewisser Weise auch. Und das war noch nicht der einzige Streich, den die Natur dem armen Ding gespielt hat. Erinnern Sie sich an den Zustand der Gliedmaßen?«
»Ja, nur Stummel mit Knospen am Ende«, sagte ich.
»Man nennt es Phokomelie – griechisch für ›Robbenglieder‹ – kurze Langknochen. Und ihre Finger und Zehen waren zusammengewachsen, ein Zustand, den man Syndaktylie nennt. Es scheint eine der grausamen Gefälligkeiten der Natur zu sein, dass sie angeborene Abnormitäten immer anhäuft, um sicherzustellen, dass missgebildete Säuglinge nicht überleben. Und bei diesem hier war das noch nicht einmal alles – die Zurückkrümmung des Schädels, die das Gesicht aufwärts zwingt, das ist Inienzephalie, die der Mutter bei der Geburt ernste Probleme gemacht haben dürfte
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