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Kennen Wir Uns Nicht?

Kennen Wir Uns Nicht?

Titel: Kennen Wir Uns Nicht? Kostenlos Bücher Online Lesen
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zum Horizont. Irgendwann stellt Jon das Radio an. Die Eagles spielen Hotel Ca/ifornia, währ end wir so fahren und die Sonne auf der Windschutzscheibe glitzert. Plötzlich kommt es mir vor, als könnte es auch ein fremdes Land sein. Ein fremdes Leben.
    »Einmal hast du zu mir gesagt, wenn du die Zeit zurückdrehen und alles anders machen könntest, würdest du es tun.« Jons Stimme klingt sanfter als vorher. »Und zwar in jeder Hinsicht. Was dich angeht... deinen Job ... Eric ... alles sieht ganz anders aus, wenn Glanz und Gloria verflogen sind.«
    Es versetzt mir einen Stich, als er Eric erwähnt. Jon redet, als läge das alles schon hinter mir, aber ich lebe hier und jetzt. Ich bin verheiratet. Und mir gefällt nicht, was er damit andeuten will.
    »Ich hatte es ganz sicher nicht auf sein Geld abgesehen, okay?«, sage ich aufgebracht. »Bestimmt habe ich Eric geliebt. Ich würde niemanden nur wegen >Glanz und Gloria< heiraten.«
    »Anfangs dachtest du, Eric sei der Richtige«, gibt Jon mir recht. »Er ist charmant, aufmerksam ... Im Grunde ist er wie die intelligenten Alarmsysteme in unseren Häusern. Man stellt ihn auf >Ehemann<, und schon legt er los.«
    »Hör auf.«
    »Er ist der letzte Schrei. Er hat diverse Profileinstellungen, er ist berührungssensitiv ...«
    »Hör auf.« Ich versuche, nicht zu lachen. Ich beuge mich vor und mache das Radio lauter, als wollte ich Jon ausblenden. Bald darauf weiß ich, was ich sagen will, und stelle es wieder leiser.
    »Okay, hör zu. Vielleicht hatten wir tatsächlich eine Affäre. Früher. Aber das heißt nicht... Vielleicht wünsche ich mir dieses Mal, dass meine Ehe funktioniert.«
    »Es wird dir nicht gelingen.« Jon zuckt mit keiner Wimper. »Eric liebt dich nicht.«
    Warum muss er so ein gottverfluchter Besserwisser sein?
    »Tut er wohl.« Ich verschränke meine Arme. »Er hat es mir gesagt. Es war sehr romantisch, wenn du es genau wissen willst.«
    »Ach, ja?« Das scheint Jon nicht im Geringsten zu beeindrucken. »Was hat er gesagt?«
    »Er hat gesagt, er hat sich in meinen schönen Mund und meine langen Beine verliebt und in die Art und Weise, wie ich meine Aktentasche schwinge.« Vor lauter Verlegenheit laufe ich rot an. Ich habe oft an Erics Worte gedacht. Ich habe sie mir fest eingeprägt.
    »Das ist doch der letzte Scheiß.« Jon sieht mich nicht mal an.
    »Das ist nicht der letzte Scheiß!«, erwidere ich gekränkt. »Es ist romantisch!«
    »Ach, wirklich? Und würde er dich auch lieben, wenn du deine Aktentasche nicht mehr schwingst?«
    Einen Moment lang weiß ich nicht, was ich daraufsagen soll. »Ich ... weiß nicht. Das ist nicht der Punkt.«
    »Wie kann es nicht der Punkt sein? Das ist genau der Punkt. Würde er dich lieben, wenn deine Beine nicht lang wären?«
    »Ich weiß es nicht!«, sage ich genervt. »Halt den Mund! Es war ein wunderschöner Augenblick.«
    »Es war Scheiße.«
    »Okay.« Ich schiebe mein Kinn vor. »Und was liebst du an mir?«
    »Ich weiß nicht. Dein Wesen. Ich kann da keine Liste aufstellen«, sagt er fast verächtlich.
    Darauf folgt eine lange Pause. Ich starre geradeaus, mit fest verschränkten Armen. Jon konzentriert sich auf die Straße, als hätte er das Gespräch schon wieder vergessen. Wir nähern uns London, und der Verkehr um uns herum nimmt zu.
    »Okay«, sagt Jon schließlich, als wir an einem Stauende halten müssen. »Ich mag es, wie du im Schlaf quiekst.«
    »Ich quieke im Schlaf?«, sage ich ungläubig.
    »Wie ein Backenhörnchen.«
    »Ich dachte, ich bin angeblich eine Kobra«, entgegne ich. »Du musst dich schon entscheiden.«
    »Kobra bei Tag.« Er nickt. »Backenhörnchen bei Nacht.«
    Ich gebe mir alle Mühe, meinen Mund nicht zu bewegen, aber ein Lächeln macht sich breit.
    Während wir die Schnellstraße entlangkriechen, meldet mir mein Handy piepend eine SMS, und ich hole es hervor.
    »Von Eric«, sage ich, nachdem ich sie gelesen habe. »Er ist heil in Manchester angekommen. Er will sich ein paar Tage nach Möglichkeiten für neue Bauvorhaben umsehen.«
    »Mh-hm. Ich weiß.« Jon schwenkt in einen Kreisverkehr ein.
    Mittlerweile haben wir die Außenbezirke der Stadt erreicht. Hier wird es immer grauer, und plötzlich spüre ich einen Regentropfen im Gesicht. Ich schüttle mich, und Jon schließt das Verdeck. Mit unbewegter Miene schlängelt er sich durch den Verkehr.
    »Weißt du, Eric hätte die Schulden deines Vaters aus der Portokasse bezahlen können«, sagt er nüchtern. »Aber er hat es dir

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