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Kennen Wir Uns Nicht?

Kennen Wir Uns Nicht?

Titel: Kennen Wir Uns Nicht? Kostenlos Bücher Online Lesen
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in den Arm genommen oder auch nur richtig zugehört. Stattdessen lief sie rot an und wurde bissig, als wollte ich sie verletzen, indem ich mit ihr über Liebesbeziehungen spreche. Ich kam mir vor wie auf einem Minenfeld, als wäre ich in einen mir unbekannten sensiblen Bereich ihres Lebens eingedrungen.
    Also habe ich es aufgegeben und stattdessen lieber Fi angerufen.
    »Hast du mir eigentlich diese Sofadecken bestellt, Lexi?«, unterbricht Mum meine Gedanken. »Im Internet«, fugt sie angesichts meines leeren Blickes hinzu. »Das wolltest du letzte Woche schon.«
    Hat sie eigentlich irgendwas von dem mitbekommen, was ich gesagt habe?
    »Mum, das weiß ich nicht«, sage ich langsam und deutlich. »Ich kann mich doch an die letzten drei Jahre nicht erinnern.«
    »Entschuldige, Liebes.« Mum schlägt sich an den Kopf. »Wie dumm von mir.«
    »Ich weiß nicht, was ich letzte Woche gemacht habe oder letztes Jahr ... nicht mal, wer mein Mann ist ...« Ich spreize die Finger. »Ehrlich gesagt, ist das alles ziemlich beängstigend.«
    »Natürlich. Bestimmt.« Mum nickt geistesabwesend, als müsste sie meine Worte erst auf sich wirken lassen. »Liebchen, es ist nur so, ich kann mich nicht an den Namen der Website erinnern. Falls du dich also doch erinnern solltest ...«
    »Ich lass es dich wissen, okay?« Unwillkürlich fahre ich sie an. »Sollte ich mein Gedächtnis demnächst wiederfinden, werde ich mich gleich als Erstes bei dir wegen der Sofadecken melden. Himmelarsch!«
    »Kein Grund, gleich laut zu werden, Lexi!«, sagt sie und sieht mich mit großen Augen an.
    Okay. Meine Mum bringt mich also auch 2007 mit jeder Kleinigkeit auf die Palme. Eigentlich sollte ich inzwischen doch wohl erwachsen genug sein und über solchen Dingen stehen, oder? Reflexartig knabbere ich an meinem Daumennagel herum. Dann höre ich auf. Die achtundzwanzigjährige Lexi kaut keine Fingernägel.
    »Und was macht er so?« Ich kehre zum Thema »Ehemann« zurück. Ich kann es immer noch nicht fassen.
    »Wer, Eric?«
    »Ja! Natürlich Eric!«
    »Er verkauft Immobilien«, sagt Mum, als müsste ich es wissen. »Und das macht er ganz gut.«
    Ich habe einen Makler namens Eric geheiratet.
    Wie?
    Warum?
    »Wohnen wir in meiner Wohnung?«
    »Deine Wohnung?« Mum sieht mich ratlos an. »Liebes, du hast deine Wohnung doch schon lange verkauft. Ihr habt doch jetzt ein eigenes Reich!«
    »Ich habe sie verkauft?« Das versetzt mir einen Stich. »Aber ich habe sie doch gerade erst gekauft!«
    Ich liebe meine Wohnung. Sie liegt in Balham und ist winzig, aber gemütlich, mit blauen Fensterrahmen, die ich selbst angemalt habe, und einem wundervollen, weichen Samtsofa und bergeweise bunten Kissen überall und kleinen farbigen Lichtern am Spiegel. Fi und Carolyn haben mir vor zwei Monaten beim Umzug geholfen, und wir haben das Badezimmer mit silberner Farbe angesprüht - und dann auch gleich unsere Jeans versilbert.
    Jetzt ist alles weg. Ich wohne im Hafen der Ehe. Mit meinem Ehemann.
    Zum hunderttausendsten Mal betrachte ich den Ehering und den Brillanten. Dann werfe ich einen kurzen Blick auf Mums Hand. Sie trägt noch immer Dads Ring, nach allem was er ihr angetan hat ...
    Dad. Dads Beerdigung.
    Der Gedanke schnürt mir fast die Kehle zu.
    »Mum«, sage ich vorsichtig. »Es tut mir wirklich leid, dass ich Dads Beerdigung verpasst habe. War es ... du weißt schon, war es okay?«
    »Du hast sie nicht verpasst, Liebes.« Sie sieht mich an, als wäre ich verrückt. »Du warst doch dabei.«
    »Oh.« Im ersten Moment bin ich verdutzt. »Ach, ja. Natürlich. Ich kann mich nur nicht mehr daran erinnern.«
    Schwer seufzend lehne ich mich in die Kissen. Ich erinnere mich nicht an meine eigene Hochzeit, und ich erinnere mich nicht an die Beerdigung meines Vaters. Zwei der wichtigsten Ereignisse in meinem Leben, und es kommt mir vor, als hätte ich sie verpasst. »Und wie war es?«
    »Oh, es war so, wie so was eben ist ...« Mum wird unruhig, wie immer, wenn es um Dad geht.
    »Waren viele Leute da?«
    Sie verzieht das Gesicht.
    »Lass uns nicht darauf herumreiten, Liebes. Es ist doch schon so lange her.« Sie steht auf, als könnte sie damit meiner Frage entkommen. »Hast du denn schon was zu Mittag gehabt? Ich hatte überhaupt keine Zeit, irgendwas zu essen, nur einen Bissen Toast mit Ei. Ich geh und besorg uns was. Pass ja auf, dass du ordentlich isst, Lexi!«, fügt sie hinzu. »Schluss mit diesem Wahn, keine Kohlenhydrate zu essen. Eine kleine Kartoffel wird dich schon

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