Kennen Wir Uns Nicht?
Kapitulation. »Willst du es wirklich wissen?«
»Ja!«
»Na, gut. Du hast ihn in einer Fernsehsendung kennengelernt.«
»Nächster Versuch.« Ich blicke zur Decke.
»Es stimmt! Ich erzähl keinen Scheiß! Du warst in dieser Reality-Show Ambition. Mit Leuten, die es in ihrer Branche ganz weit bringen wollen. Er war einer der Juroren, und du warst eine Kandidatin. Du bist nicht besonders weit gekommen, aber dafür hast du Eric kennengelernt, und ihr habt euch schwer verliebt.«
Stille. Ich warte darauf, dass sie vor Lachen nicht mehr an sich halten kann und so ihre Pointe setzt, doch sie nimmt nur einen Schluck von ihrer Cola Light.
»Ich war in einer Reality-Show?«, frage ich skeptisch.
»Ja. Das war echt cool. Alle meine Freunde haben es gesehen, und wir haben alle für dich gestimmt. Du hättest gewinnen sollen!«
Ich mustere sie eingehend, aber ihre Miene ist todernst. Sagt sie die Wahrheit? War ich tatsächlich in der Glotze?
»Warum um alles in der Welt sollte ich in so eine Sendung gehen?«
»Vielleicht um Chef zu werden?« Amy zuckt mit den Schultern. »Um voranzukommen? Jedenfalls hast du dir die Zähne und die Haare machen lassen, damit du im Fernsehen gut aussiehst.«
»Aber ich bin doch gar nicht ehrgeizig. Ich meine, ich bin nicht so ehrgeizig ...«
»Soll das ein Witz sein?« Amy macht große Augen. »Du bist bestimmt der ehrgeizigste Mensch auf der Welt! Im selben Moment, als sich dein Chef zur Ruhe gesetzt hat, hast du dich auf seinen Job gestürzt. Die Oberbosse deiner Firma hatten dich in der Sendung gesehen und waren voll beeindruckt. Also haben sie dir den Job gegeben.«
Ich sehe diese Visitenkarten in meinem Kalender vor mir. Lexi Smart, Abteilungsleitung.
»Du bist die jüngste Abteilungsleiterin, die sie in der Firma je hatten. Es war so was von cool, als du den Job gekriegt hast«, fügt Amy hinzu. »Wir sind zusammen feiern gegangen, und du hast für alle Champagner bestellt...« Sie nimmt den Kaugummi aus dem Mund und zieht es lang. »Du kannst dich an nichts davon erinnern?«
»Nein! Nichts!«
Die Tür geht auf, und Mum trägt ein Tablett herein, mit einem zugedeckten Teller, einer Schale Mousse au Chocolat und einem Glas Wasser.
»Da bin ich wieder ...«, sagt sie. »Ich hab dir Lasagne mitgebracht. Und rate mal, wer hier ist? Eric!«
»Hier?« Ich werde kreidebleich. »Du meinst... hier im Krankenhaus?«
Mum nickt. »Er kommt gleich! Ich habe ihm gesagt, er soll dir noch einen Moment Zeit lassen, damit du dich darauf einstellen kannst.«
Einen Moment! Ich brauche mehr als nur einen Moment. Das geht mir alles viel zu schnell. Ich bin noch nicht mal bereit, achtundzwanzig zu sein. Ganz zu schweigen davon, meinen angeblichen Ehemann kennenzulernen.
»Mum, ich weiß nicht, ob ich das kann«, sage ich entgeistert. »Ich meine ... ich bin noch nicht bereit, mich der Situation zu stellen. Vielleicht sollte er lieber erst morgen kommen. Wenn ich mich etwas besser eingefunden habe.«
»Lexi, Liebes!«, protestiert meine Mutter. »Du kannst doch deinen Mann nicht wegschicken. Er kommt extra von der Arbeit, um nach dir zu sehen!«
»Aber ich kenne ihn doch überhaupt nicht! Ich weiß gar nicht, was ich zu ihm sagen soll, wie ich mich verhalten soll ...«
»Schätzchen, er ist dein Mann.« Beruhigend tätschelt sie meine Hand. »Du musst dir keine Sorgen machen.«
»Vielleicht gibt er deinem Gedächtnis ja einen kleinen Schubs«, stimmt Amy mit ein, die sich den Becher Mousse au Chocolat geschnappt hat und gerade dabei ist, den Deckel abzureißen. »Vielleicht siehst du ihn und sagst: >Eric! Geliebter! Jetzt fällt mir alles wieder ein!<«
»Halt die Klappe!«, schnauze ich sie an. »Und das ist meine Mousse au Chocolat!«
»Du isst keine Kohlenhydrate«, erwidert sie. »Hast du das auch vergessen?« Verführerisch schwenkt sie den Löffel vor meinem Gesicht.
»Gib‘s auf, Amy«, sage ich und rolle mit den Augen. »Nie im Leben würde ich auf Schokolade verzichten.«
»Echt jetzt! Du isst keine Schokolade mehr! Oder, Mum? Du hast nicht mal deine Hochzeitstorte probiert - wegen der Kalorien!«
Die will mich doch durch den Kakao ziehen. Niemals nie nicht würde ich Schokolade verschmähen! Gerade will ich ihr sagen, sie kann mich mal gernhaben und soll sofort die Mousse rüberrücken, als es an der Tür klopft und eine dumpfe, männliche Stimme ruft: »Hallo?«
»Oh, mein Gott.« Wild blicke ich von einem zum anderen. »Oh, mein Gott! Ist er das? Jetzt
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