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Kennen Wir Uns Nicht?

Kennen Wir Uns Nicht?

Titel: Kennen Wir Uns Nicht? Kostenlos Bücher Online Lesen
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Überrascht wendet sich Simon mir zu. »Haben Sie James Garrison denn kennengelernt?«
    »Ich ... äh ... nein, hab ich nicht.« Ich schlucke. »Sie ... Sie haben sicher recht, Byron.«
    Er hat mich voll ins Messer laufen lassen. Absichtlich.
    Erdrückendes Schweigen macht sich breit. Simon mustert mich enttäuscht. »Gut«, sagt er schließlich. »Ich muss wieder los. Schön, Sie zu sehen, Lexi.«
    »Wiedersehen, Simon.« Ich begleite ihn hinaus und gebe mir alle Mühe, zuversichtlich und managermäßig zu klingen. »Ich freue mich, schon bald wieder dabei zu sein. Vielleicht können wir demnächst mal zusammen Mittag essen ...«
    »Hey, Lexi«, sagt Byron unvermittelt und zeigt auf meinen Hintern. »Sie haben da was am Rock.« Als ich mich abtaste, finde ich einen gelben Klebezettel. Ich sehe ihn mir an, und die Erde scheint unter mir nachzugeben, als stünde ich im Treibsand. Irgendjemand hat mit pinkem Filzer geschrieben:
    Ich bin scharf auf Simon Johnson.
    Ich kann Simon Johnson gar nicht in die Augen sehen. Mein Kopf fühlt sich an, als müsste er gleich explodieren.
    Byron schnaubt vor Lachen. »Da ist noch einer.« Er deutet mit dem Kopf auf mich, und leicht benommen ziehe ich noch einen Klebezettel ab.
    Mach‘s mir, Simon!
    »Nur ein dummer Streich!« Verzweifelt knülle ich die Zettel zusammen. »Unsere Mitarbeiterinnen gönnen sich wohl ein kleines ... Späßchen ...«
    Simon Johnson scheint es aber nicht besonders lustig zu finden.
    »Okay«, sagt er nach einer Weile. »Wir sehen uns, Lexi.« Er dreht sich um und geht den Flur hinunter - mit Byron. Dann höre ich Byron sagen: »Simon, glauben Sie mir jetzt? Sie ist absolut ...«
    Ich stehe einfach nur da und sehe ihnen hinterher, zittere vor Scham. Das war‘s. Meine Karriere ist ruiniert, bevor ich überhaupt die Gelegenheit hatte, mich zu beweisen. Benommen kehre ich in mein Büro zurück und sinke auf den Schreibtischstuhl. Ich bin diesem Job nicht gewachsen. Ich bin am Ende. Byron hat mich reingelegt. Keiner will meine Muffins.
    Bei diesem letzten Gedanken durchbohrt mich ein stechender Schmerz, und plötzlich kann ich mich einfach nicht mehr beherrschen. Eine Träne läuft mir über die Wange. Ich vergrabe mein Gesicht in der Armbeuge, und schon bald schluchze ich drauflos. Ich dachte, alles würde ganz wunderbar laufen. Ich dachte, es wäre lustig und aufregend, Chefin zu sein. Mir war nicht klar ... ich hätte nie gedacht ...
    »Hi.« Eine Stimme dringt in meine Gedanken, und ich hebe den Kopf. Fi steht in der Tür.
    »Oh. Hi.« Energisch wische ich mir die Augen. »Entschuldige. Ich war nur ...«
    »Alles okay?«, sagt sie betreten.
    »Es geht mir gut. Sehr gut.« Ich krame in meiner Schreibtischschublade nach einem Taschentuch und putze mir die Nase. »Kann ich was für dich tun?«
    »Tut mir leid, das mit den Post-its.« Sie beißt auf ihre Lippe. »Wir hatten nicht damit gerechnet, dass Simon kommt. Es sollte nur ein kleiner Scherz sein.«
    »Schon gut.« Meine Stimme zittert. »Das konntet ihr ja nicht ahnen.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Er war nicht gerade begeistert.« Ich seufze. »Aber er ist sowieso nicht sonderlich begeistert von mir, also ist es auch egal.« Ich breche ein Stück Schokoladen-Muffin ab, stopfe es mir in den Mund und fühle mich augenblicklich besser. Für etwa eine Nanosekunde.
    Fi starrt mich nur an.
    »Ich dachte, du isst keine Kohlenhydrate mehr«, sagt sie schließlich.
    »Ja, genau. Als könnte ich ohne Schokolade leben.« Ich nehme einen großen Bissen. »Frauen brauchen Schokolade. Das ist wissenschaftlich erwiesen.«
    Wir schweigen. Ich blicke auf und sehe, dass Fi mich noch immer unsicher mustert. »Es ist echt merkwürdig«, sagt sie. »Du klingst wie die alte Lexi.«
    »Ich bin die alte Lexi.« Plötzlich habe ich es satt, alles immer wieder erklären zu müssen. »Fi ... stell dir doch mal vor, du würdest morgen aufwachen und plötzlich wäre es 2010. Und auf einmal müsstest du dich in ein neues Leben einfinden und ein ganz neuer Mensch sein. So ist es nämlich für mich.« Ich breche noch ein Stück vom Muffm ab, sehe es mir einen Moment lang an, dann lege ich es wieder weg. »Und ich kenne diesen neuen Menschen nicht mal. Ich verstehe überhaupt nicht, wieso sie ist, wie sie ist. Und das ist irgendwie ... das ist schlimm.«
    Wir schweigen lange. Reglos starre ich den Schreibtisch an, atme schwer, zerkrümele den Muffin in kleine Brocken. Ich wage nicht, aufzublicken, falls Fi wieder etwas Sarkastisches

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