Kennen Wir Uns Nicht?
aufgemacht und Fußball angestellt.
Wenn ich so darüber nachdenke, ist es mir ein Rätsel, wieso ich das alles mitgemacht habe. Ausgeleierte Boxershorts auf dem Fußboden. Derbe, frauenfeindliche Witze. Seine Paranoia, dass ich ihm drei Kinder andrehen und ihn an Haus und Heim binden wollte.
Wovon träumt er eigentlich nachts?
»Du siehst gut aus, Lexi.« Als er sich vom Empfang abwendet, mustert er mich von oben bis unten. »Ist schon ´ne Weile her. Hab dich natürlich im Fernsehen gesehen. Diese Ambition-Show. An so einer Sendung hätte ich damals vielleicht auch gern teilgenommen.« Mitleidig betrachtet er mich. »Aber den Level habe ich inzwischen hinter mir gelassen. Ich bin auf der Überholspur. Wollen wir gehen?«
Tut mir leid, aber ich sehe in Loser Dave nicht ernstlich »David«, den merkantilen überflieger. Wir steuern einen Laden an, den Loser Dave als »ganz ordentlich für diese Gegend« bezeichnet, und die ganze Zeit über hängt er am Telefon, schwadroniert lauthals über »Deals« und »Mille«, wobei sein Blick ständig zu mir herüberschweift.
»Wow!«, sage ich, als er das Handy endlich wegsteckt. »Du bist ja richtig wichtig.«
»Hab einen Ford Focus.« Lässig zupft er an seinen Manschetten. »Amex-Firmenkarte. Zugang zur firmeneigenen Skihütte.«
»Wie schön für dich!« Inzwischen sind wir beim Restaurant angekommen, einem kleinen Italiener. Wir setzen uns, und ich beuge mich vor, stütze mein Kinn auf die Hände. Loser Dave wirkt etwas nervös, spielt mit der Speisekarte herum und sieht ständig nach seinem Handy.
»David«, beginne ich. »Ich weiß nicht, ob dich die Nachricht erreicht hat, warum ich dich treffen wollte ...«
»Meine Sekretärin meinte, du willst mit mir über alte Zeiten sprechen«, sagt er argwöhnisch.
»Ja. Die Sache ist die: Ich hatte einen Autounfall. Und jetzt versuche ich, mein Leben wieder zusammenzustückeln. Ich muss rausfinden, was damals eigentlich passiert ist, wieso wir uns getrennt haben ...«
Loser Dave seufzt.
»Schätzchen, ist es denn wirklich eine gute Idee, das alles wieder auszugraben? Immerhin waren wir ja damals beide beteiligt...«
»Was denn wieder ausgraben?«
»Du weißt schon ...« Er sieht sich um und fängt den Blick eines herumlungernden Kellners auf. »Könnten wir hier mal bedient werden? Wein vielleicht? Eine Flasche offenen Roten, bitte!«
»Ich weiß es eben nicht! Ich habe keine Ahnung, was passiert ist!« Ich beuge mich weiter vor, damit er mir auch zuhört. »Ich leide unter Amnesie. Gedächtnisverlust. Hat deine Sekretärin es dir nicht gesagt? Ich kann mich an nichts erinnern.«
Ganz langsam dreht sich Loser Dave zu mir um und glotzt mich an, als wollte ich ihn auf den Arm nehmen.
»Du hast dein Gedächtnis verloren?«
»Ja! Ich war im Krankenhaus und alles.«
»Leck mich am Arsch ...« Er schüttelt den Kopf, als der Kellner kommt, und zieht die ganze Nummer mit dem Einschenken und Probieren durch. »Du kannst dich also an gar nichts mehr erinnern?«
»Zumindest nichts aus den letzten drei Jahren. Und ich möchte gern wissen, warum wir uns getrennt haben. Ist irgendwas passiert ... oder haben wir uns nur auseinandergelebt ... oder was?«
Loser Dave antwortet nicht gleich. Er beäugt mich über seine Brille hinweg. »Und gibt es irgendwas, woran du dich erinnern kannst?«
»Das Letzte ist der Abend vor Dads Beerdigung. Ich saß in dieser Bar und war stinksauer auf dich, weil du nicht aufgetaucht bist... und dann bin ich im Regen ein paar Stufen runtergefallen ... mehr weiß ich nicht.«
»Ja, ja.« Er nickt versonnen. »Ich erinnere mich an diesen Abend. Also, eigentlich ... deshalb haben wir uns getrennt.«
»Weshalb?«, sage ich verdutzt.
»Weil ich nicht aufgetaucht bin. Du hast mit mir Schluss gemacht. Finito.« Er nimmt einen Schluck Wein und entspannt sich sichtlich.
»Wirklich?«, sage ich erstaunt. »Ich habe mit dir Schluss gemacht?«
»Am nächsten Morgen. Du hattest genug, und das war‘s dann. Wir waren nicht mehr zusammen.«
Stirnrunzelnd versuche ich, mir die Szene vorzustellen. »Und hatten wir Streit?«
»Keinen Streit«, sagt Dave nach kurzem Überlegen. »Eher ein Gespräch unter Erwachsenen. Wir waren uns einig, dass es richtig wäre, die Sache zu beenden, und du hast gesagt, es könnte sein, dass du den größten Fehler deines Lebens begehst, aber gegen deine ewige Eifersucht und dein einnehmendes Wesen könntest du eben nichts tun.«
»Wirklich?«, sage ich skeptisch.
»Ja. Ich
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