Kennwort: Schwarzer Ritter
Positive, was aus diesem Schlamassel herauskam, war Jessica. Sie ist eine wundervolle Frau – in jeder Beziehung.“ Er lachte ein wenig verunsichert. „Und sehr überzeugend. Aber das wissen Sie ja schon.“
Er wurde wieder ernst. „Ich weiß, dass Sie in einer verzwickten Lage sind – wegen Mitch. Er ist nicht leicht zu nehmen, und er hat Molly geliebt. Aber Sie sind meine letzte Hoffnung, Mrs. Logan.“
Offenbar war er am Ende angelangt und nickte der Person hinter der Kamera zu. Der Bildschirm wurde dunkel.
Lange blieb Kate schweigend sitzen und starrte auf den Fernsehapparat, während das Band zurücklief. Nach elf Jahren als Anwältin konnte sie einen Lügner eine Meile gegen den Wind riechen. Etwas in ihr hatte sich gewünscht, dass Todd log, denn wenn er es getan hätte, wäre ihr die Entscheidung sehr viel leichter gefallen. Wenn sie etwas nicht leiden konnte, war es ein Mandant – oder ein möglicher Mandant -, der sie anlog.
Aber Todd Buchanan hatte sie überrascht. Er hatte die Fakten schlicht und einfach dargestellt und, falls ihr Instinkt sie nicht im Stich ließ, wahrheitsgemäß. Das konnte nur eins bedeuten: Jemand anders hatte Molly Buchanan umgebracht.
Kate gehörte nicht zu denjenigen, die impulsive Entscheidungen fällten. Sie nahm sich vor, mehr Informationen zu sammeln. Die würde sie bei Nexis finden, dem Internet-Zeitungsarchiv, in dem man mit einem Mausklick praktisch alles, was jemals über eine Person oder eine Sache geschrieben worden war, nachlesen konnte.
Sie ging zu ihrem Schreibtisch und startete den Computer. Nach wenigen Sekunden klickte sie sich durch ein paar Artikel, von denen die meisten aus den großen Zeitungen wie
Washington Post, New York Times
und
Chicago Tribune
stammten. Normalerweise erregte der Mord an einer jungen Frau kaum überregionales Interesse, selbst wenn sie zu einer reichen Familie gehörte. Aber wenn diese junge Frau die Schwiegertochter eines Obersten Bundesrichters der Vereinigten Staaten war und der Sohn des Richters unter Mordverdacht stand, nahmen die Reporter rasch die Witterung einer aufregenden Story auf.
Wie sie erwartet hatte, wurden alle Einzelheiten erwähnt, die das bestätigten, was ihr von dem Fall in Erinnerung geblieben war. Die Polizei hatte nicht nur Todd, sondern auch Lynn Flannery vernommen, eine Möbeldesignerin, deren Geschäft auf der K Street lag. Molly hatte dort in den letzten beiden Jahren ihres Lebens gearbeitet und sich um Marketing und Werbung gekümmert. Zuvor hatte sie sich in allen möglichen Bereichen versucht: Werbetexterin, Public Relation, Verkauf. 1996 hatte sie ihre eigene PR-Agentur eröffnet, aber nach einem Jahr ohne nennenswerten Erfolge wieder etwas Neues angefangen.
Ihre Hobbys waren ebenso unterschiedlich wie zahlreich. Während ihrer Schulzeit war sie Meisterschaftsschwimmerin, eine versierte Reiterin und eine fähige Ruderin. Die Heirat mit einem der begehrtesten Junggesellen Washingtons hatte sie nicht etwa gezähmt, sondern im Gegenteil ihre Lust auf Abenteuer nur noch mehr angestachelt.
Kate klickte weiter und las den beeindruckenden Lebenslauf von Richter Buchanan. Lyle J. Buchanan war zunächst Richter am Appellationsgericht, bevor er zum Obersten Bundesgericht berufen wurde, und er hatte den zweifelhaften Ruhm, der meist gehasste Richter in der Geschichte dieser Institution zu sein. Er war ein beinharter Konservativer, der seine Überzeugungen von seinem verstorbenen Vater, einem Bezirksrichter, und seinem Großvater geerbt hatte. Seine freimütigen Äußerungen zur Abtreibung, Schulgebeten und Rechten von Homosexuellen hatten für viel Ärger gesorgt und so viele Morddrohungen provoziert, dass der Direktor des FBI nicht nur einen, sondern gleich zwei FBI-Agenten zu seinem Schutz rund um die Uhr abgestellt hatte. Drei Monate später wurde ihm ihre Anwesenheit zu lästig, und er hatte alle beide mit dem Argument entlassen, er könne sehr gut auf sich alleine aufpassen. Bis jetzt war es ihm auch gelungen.
Kate las weiter. Der Detective, der Mollys Ermordung aufklären sollte, war Frank Sykes, ein ehemaliger Angehöriger der Polizei von Fairfax County. Außerdem war er ein Freund von Mitch, was bedeutete, dass es ungewiss war, ob er kooperieren würde oder nicht.
Es gab noch andere Hürden. Die Buchanans waren dabei nicht die niedrigsten. Der Anwalt, den sie für Todd besorgt hatten, war einer der brillantesten Prozessführer an der Ostküste und Teilhaber einer Spitzenkanzlei, in der mehr
Weitere Kostenlose Bücher