Kennwort: Schwarzer Ritter
Arroganz und Unbarmherzigkeit im Gerichtssaal berüchtigt war, hatte tatsächlich ein Herz. Diese Erkenntnis änderte nicht ihre grundsätzliche Ansicht über ihn. Aber sie erleichterte es ihr, seine weniger angenehmen Charaktereigenschaften zu ignorieren.
„Hat Molly Ihnen auch erzählt, warum sie so viele Männerbekanntschaften hatte?“ fragte Kate.
Er schüttelte den Kopf.
„Haben Sie sie gefragt?“
„Unzählige Male. Ich hatte Angst um sie, genau wie Lynn. Aber Molly hat mir niemals reinen Wein eingeschenkt. Einmal hat sie sogar gedroht, unsere Freundschaft zu beenden, wenn ich nicht mit meinen Ermahnungen aufhörte. Da habe ich beschlossen, einfach nur für sie da zu sein, wie sie für mich dagewesen ist.“
„Warum konnte sie es Mitch nicht erzählen?“
Er zuckte mit den Schultern. „Er wäre durchgedreht. Außerdem hatte sie ihn schon mal an den Rand der Verzweiflung gebracht, wie sie sagte, und das wollte sie nicht noch einmal tun.“
Kate wurde sofort aufmerksam. „Was hat sie damit gemeint?“
„Das wollte sie mir auch nicht sagen. Molly hatte viele Geheimnisse, falls Sie das noch nicht mitbekommen haben.“
Das hatte sie. Und dieses hier war nur noch ein weiteres auf der langen Liste von Puzzlesteinen, die nicht zueinander passten. „Mitch sollte es wissen, Ted.“
Er hielt den Blick auf die Wand gerichtet. „Warum? Was bringt das jetzt noch? Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Harlow sie nicht getötet hat.“
„Trotzdem hat er das Recht, es zu erfahren.“
„Was zu erfahren?“ sagte eine Stimme hinter ihnen.
Kate fuhr herum. Mitch stand vor ihnen und schaute von einem zum anderen.
„Haben Sie mich gesucht?“ fragte Ted, anstatt zu antworten.
„Nein. Ich habe Kate gesucht. Der Hot Dog-Verkäufer hat mir gesagt, dass Sie hier sein könnten.“ Er sah sie noch einmal an, dann blickte er auf die Wand. Er schien ein wenig aus der Fassung gebracht. „Sie haben das Thema gewechselt, Ted. Was ist es, das ich erfahren sollte?“
Kate zerknüllte ihre Papierserviette. „Ich lasse euch beide am besten allein“, meinte sie. „Ich muss nach Hause gehen.“ Sie drückte Mitchs Arm. „Ich warte auf dich.“
28. KAPITEL
M itch und Ted landeten bei Stoneys, einer Bar, deren Wände vollgehängt waren mit Medaillen, Pokalen und Urkunden vom Sport. Hier konnte man aus hundert Biersorten wählen und die saftigsten Hamburger der ganzen Stadt bekommen. Für ein Bier war es noch zu früh, für ein Mittagessen zu spät und für eine Unterhaltung eigentlich zu laut.
Mitch konnte sich nicht daran erinnern, wann er und Ted zum letzten Mal zusammen einen Drink genommen hatten. Obwohl Mitch formal für das Büro des Bundesstaatsanwalts arbeitete, war sein Verhältnis zu dessen Stellvertreter kaum freundschaftlich zu nennen. Für Mitch war Ted ein Arschloch, und er würde es immer bleiben.
Es war erst fünf Uhr, aber bei Stoneys war jetzt schon kaum noch ein Stuhl frei. Aber zu Mitchs Überraschung wechselte Ted ein paar Worte mit einer Kellnerin, und eine Minute später saßen sie an der Bar, vor sich zwei Cola und eine Schale mit Cashew-Nüssen.
Mitch steckte sich eine Nuss in den Mund. „Seit wann sind Sie denn hier der große Zampano?“
„Das verdanke ich meinem Charme“, erwiderte Ted mit ernstem Gesicht. „Versuchen Sie’s doch auch mal.“
„Das mach ich auch.“ Er kaute noch eine Nuss. „Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich Ihre Gesellschaft verabscheue. Aber warum haben Sie mich hierher gebracht, wenn wir genauso gut beim Mahnmal hätten reden können?“
„Ich habe mir gedacht, dass Sie sich in der Öffentlichkeit nicht zum Narren machen wollen.“
„Was soll das heißen, Ted?“
„Erst will ich Ihr Wort, dass Sie nicht sauer auf mich sind.“
„Liefern Sie mir dazu einen Grund?“
„Geben Sie mir Ihr Wort, verdammt.“
„Okay, Sie haben mein Wort. Und jetzt reden Sie.“
„Sie machen keine Szene?“
Mitchs Augen wurden schmal. „Sie machen mich allmählich wütend, Ted. Wenn Sie mir etwas zu sagen haben, dann sagen Sie’s. Sonst erfahre ich es von Kate.“
„Das glaube ich kaum.“
Mitch drehte sich auf seinem Stuhl herum. „Geht es um Todd?“
„Nein“, antwortete Ted. „Um Molly.“
Ted begann zu reden, und Mitch unterbrach ihn nicht ein einziges Mal. Er saß nur stocksteif da und starrte in seine Cola, als die Bilder von seiner Schwester, die immer wieder von diesem brutalen Typen geschlagen wurde, sich in sein Gedächtnis
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