Kerzenlicht Für Eine Leiche
betrachtete den Nachlassverwalter mit deutlicher Missbilligung.
»Die Polizei ist aber noch nicht fertig mit dem Gresham-Grab.«
»Ich weiß nicht, wie Sie das sehen«, entgegnete Truelove, »aber soweit es mich betrifft, können wir das Gresham-Grab ruhig vergessen. Wir haben uns bemüht, Miss Greshams letztem Wunsch nachzukommen, aber es ging nicht und fertig! Ich meine, wir können sie jetzt wohl kaum noch im Grab ihrer Eltern beisetzen, oder? Nachdem man dort ein Mordopfer gefunden hat? Das Grab ist doch sicherlich entweiht oder so. Sie müssten das am besten wissen, Sie sind der Vikar.« Pater Holland seufzte und blickte sich im Büro des Anwalts um. Aktenschränke aus Metall und ein Regal mit dicken Nachschlagewerken reihten sich an den Wänden. Jedes dieser Bücher enthielt Antworten auf Dutzende von juristischen Fragen. Man schlug darin nach, und dort stand es schwarz auf weiß. Moralische Fragen jedoch, Konflikte, die Pflicht und Loyalität betrafen – wo fand man die Antworten darauf? In der Bibel oder in einem Gebetbuch, falls man ein religiöser Mensch war. Im Herzen, würden andere sagen. Dein Gefühl sagt dir, ob etwas richtig ist oder falsch. Pater Hollands bärtiges Gesicht verzog sich zu einer Miene der Frustration. Mr. Truelove schaukelte auf seinem Stuhl hinter dem unaufgeräumten Schreibtisch, während er die Hände verschränkte und ungeduldig fragte:
»Nun?«
»Was? Oh, ja … nun ja, ich schätze, ich stimme Ihnen zu. Tatsächlich sind bereits mehrere Gemeindemitglieder an mich herangetreten. Sie halten es für falsch, wenn Mrs. Gresham nach dieser Geschichte im Grab ihrer Eltern beigesetzt wird. Auf dem neuen Friedhof gibt es genügend Platz. Allerdings werden sich dadurch die Kosten für die Beisetzung erhöhen.«
»Ihr Nachlass reicht zur Begleichung aus.« Truelove las in einem handgeschriebenen Brief, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag.
»Ich habe Nachricht von Mrs. Greshams alleinigem Erben. Einem Patensohn, der in Neuseeland lebt. Er wird nicht zur Beerdigung kommen, und soweit ich die Sache sehe, wird niemand Protest einlegen, wenn wir die alte Dame nicht zu ihren Eltern legen. Wer soll es außerdem erfahren, offen gestanden?«
»Sicher. Es ist nur … sie wollte es so«, widersprach Pater Holland. Der Protest klang selbst in seinen eigenen Ohren naiv. Glaubte Mr. Truelove an irgendeine Form von Leben nach dem Tod? Wahrscheinlich nicht. Und sich für jemanden einzusetzen, der aufgehört hatte zu existieren, war in seinen Augen reine Zeitverschwendung. Außerdem klang das, was Mrs. Greshams Nachlassverwalter vorgeschlagen hatte, äußerst vernünftig. Es war unrealistisch anzunehmen, dass Mrs. Gresham jetzt noch bei ihren Eltern begraben werden konnte. Doch die sterbende alte Dame hatte Pater Hollands Hand wie mit einer Vogelklaue gehalten und ihn gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass ihr letzter Wunsch erfüllt wurde. Alles in Holland, sein ganzes Herz sagte ihm, dass er es wenigstens versuchen sollte.
»Jeder kann so einen letzten Wunsch in seinem Testament zum Ausdruck bringen«, sagte der Nachlassverwalter.
»Letztendlich ist es Sache der Erben, wie man begraben wird. Ich meine, sie sind diejenigen, die alles arrangieren müssen. Ich weiß, der alte Macpherson war großartig, wenn es um fantasievolle Testamente ging mit Seiten voller Kodizille und besonderer Wünsche. Ich sage meinen Klienten, sie sollen es möglichst einfach halten. Wenn man jemandem einen Diamantring vermacht, ohne genau zu spezifizieren, welcher Ring gemeint ist, dann kostet das jede Menge Zeit und Geld und Nerven. Am Ende, wenn alles geregelt ist, kann niemand das verdammte Ding finden, und die Scherereien hören überhaupt nicht mehr auf. Selbstverständlich bemühen wir uns, alle Wünsche zu erfüllen. Wir haben versucht, die alte Dame gemäß ihrem Wunsch beizusetzen. Es ging nicht, und wir müssen anders disponieren. Wann könnten Sie es tun?«
»Äh, was? Die Beerdigung abhalten?« Es gelang Holland nicht, seine Verärgerung zu unterdrücken.
»Ja. Warten Sie mal.« Truelove schwenkte auf seinem Stuhl herum und blätterte in einem Terminkalender auf einem Beistelltisch.
»Am kommenden Montag, ginge das? Da wäre ich noch frei.«
»Ich weiß nicht!«, schnappte Pater Holland. Er zog einen Taschenkalender hervor und klappte ihn auf. Unwillig sagte er:
»Ja, Montag wäre möglich. Aber es ist recht kurzfristig für Personen, die der Feier beiwohnen möchten.«
»Nein, ist es nicht«,
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