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Kesseltreiben

Titel: Kesseltreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leenders/Bay/Leenders
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die junge Dame in Urlaub fahren kann. In Urlaub! Hat unsereins jemals Urlaub gemacht? Ein Bauer fährt nicht in Urlaub.«
    Kai war ganz schön sauer. »Du bist doch kein Bauerntrampel. « Aber dann hat er sich doch wieder eingekriegt und ist mit nach Kessel gekommen. Wir wollen nämlich morgen nach Nimwegen. Kai kennt da einen Dealer, der erstklassigen Stoff verkauft, und ich will mir noch mehr indische Klamotten kaufen und Henna für meine Haare.
     
    Tante Maria hat angerufen. Im Dorf würde man sich das Maul zerreißen, weil ich mit einem Mann zusammenlebte. Ich habe ihr erzählt, dass meine Eltern gewusst hätten, dass ich einen Freund habe, und dass sie Kai gut hätten leiden können. Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen dabei, aber eigentlich geht es doch keinen etwas an, was ich tu. Sonst erwarten doch auch alle von mir, dass ich auf eigenen Füßen stehe. Ich lasse mir meinen Urlaub von keinem vermiesen.
    Wir haben eine so tolle Zeit, Kai und ich, bekochen uns, füttern uns gegenseitig. Das Wetter ist herrlich, und ich habe uns ein großes Planschbecken gekauft (Kai hat sein ganzes Geld für Haschisch ausgegeben, aber das macht nichts, ich habe ja genug), das wir im Obsthof aufgestellt haben. Den ganzen Tag liegen wir nackt in der Sonne und springen zwischendurch ins Wasser. Und abends, wenn es dunkel ist, legen wir Musik auf (Kai hat tolle psychedelische Kassetten), ziehen einen Joint durch und machen Liebe unterm Sternenhimmel. Es ist irre romantisch, und mir geht es zum ersten Mal wieder ein bisschen gut. Und wenn ich an meine Eltern denken muss und traurig werde, gehe ich einfach aufs Klo oder in die Badewanne, damit Kai nichts merkt. Er ist super, verzichtet sogar auf seine LSD-Trips, weil er weiß, dass ich Angst davor habe.
    Gestern war ich im Dorf, um Brötchen zu holen. Und als ich aus der Bäckerei komme, steht plötzlich die alte Goossens da und spuckt mir vor die Füße. Ich war so geschockt, dass ich gar nichts sagen konnte. Aber als ich dann nach Hause ging, wusste ich auf einmal, was ich tun werde: Ich mache eine WG auf! Die sollen doch mal sehen, diese Scheißspießer.

Zehn
    Als Bernie Schnittges aufwachte, dämmerte es gerade erst. Er hatte acht Stunden fest geschlafen und fühlte sich ausgeruht. Zeit, endlich wieder mit dem Laufen anzufangen. Ins Dorf bis zur Kirche und dann außen herum zurück, das dürfte die richtige Strecke für den Anfang sein. Hinterher bliebe auch noch genug Zeit fürs Frühstück.
    Er ließ es langsam angehen, war aber trotzdem ein bisschen außer Puste, als er bei der Kirche eine Pause einlegte. Das Dorf schlief noch, keine Menschenseele war zu sehen.
    Die Kirche lag idyllisch am Ufer der Niers, die hier zügig floss. Ein hauchfeiner Nebelschleier lag über dem Wasser.
    Am Wanderweg stand eine Tafel mit einer Karte von Kessel. Schnittges fand den Seeweg, den Parkplatz bei »Ophey« und Letties Straße. Sie wohnte also im Ortsteil Nergena.
    Vor der Kirche stand ein Brunnen, der neu aussah, Kugeln und Scheiben, Kaiser-Otto-Brunnen, las er, eine Inschrift auf einer Backsteinstele, alles lateinisch, Kaiser Otto III., 980-1002. Schnittges durchforstete sein Gedächtnis, in Geschichte war er immer gut gewesen. Otto III., das war einer von den Sachsenkönigen gewesen, schon als Kleinkind gekrönt, als Jugendlicher dann zum deutschen Kaiser …
    Dann entdeckte Bernie die Tafel mit den Erläuterungen auf Deutsch. Aha, er hatte also richtiggelegen, nicht schlecht … Und dieser berühmte Mann war hier ganz in der Nähe geboren worden, im Ketelwald? Ketel … Kessel? Ja, vielleicht.
    So so, da war er also unversehens an einen geschichtsträchtigen Ort gezogen …
    Er stützte sich gegen die Tafel und machte ein paar Dehnübungen, dann trabte er wieder los.
     
    Penny klingelte an der Tür des Hauses, das direkt neben dem Gasthof lag und das wohl kürzlich erst auf Vordermann gebracht worden war. Die Dachpfannen schimmerten, auch die Fenster und die Haustür im Landhausstil schienen neu zu sein. Auf dem getöpferten Schild über der Klingel stand »Krüger«.
    Die junge Frau, die öffnete, wirkte ein wenig mitgenommen. Das dunkle Haar war zerzaust, auf dem rosa T-Shirt zeichneten sich unter beiden Brüsten dunkle Flecken ab.
    Sie legte den Finger auf die Lippen und schaute Penny flehend an. »Bitte leise, das Baby ist endlich eingeschlafen.«
    Penny hatte ihren Ausweis schon bereitgehalten. »Ich bin von der Kriminalpolizei. Sind Sie Frau Krüger?«
    »Ja«, antwortete die

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