Ketten der Liebe
den Schleier wieder und bedeckte damit ihr Gesicht. Sie senkte wieder die Augen. Der Kalif stieg langsam zu seinem Thron zurück.
»Donal Righ hat sich selbst übertroffen, Karim al Malina«, sagte Abd-al Rahman. »Bleibt die Nacht über hier in Madinat al-Zahra als mein Gast. Mein Kammerherr wird sich um Euer Wohlbefinden kümmern. Morgen früh werde ich Euch eine Privataudienz geben und Euch sagen, ob die Liebessklavin Zaynab mich zufriedenstellt. Ihr werdet dann eine persönliche Nachricht zu meinem Freund Donal Righ bringen.«
Karim al Malina verbeugte sich tief vor dem Kalifen, wurde entlassen und entfernte sich aus der großen Palasthalle. Einen einzigen, kurzen Augenblick lang trafen seine Augen Zaynabs, und sein Herz zersprang schmerzvoll. Er würde sie nie wiedersehen. Möge Allah über dich wachen, meine Geliebte, rief er ihr in Gedanken zu, aber man geleitete sie bereits aus dem Saal.
Zaynab sagte kein einziges Wort, als man sie und Sheila aus der großen Palasthalle führte. Es gab nichts mehr zu sagen. Ihr Herz war gebrochen, und sie würde nie wieder jemanden lieben. So war es auch viel besser. Sie war noch jung, aber sie hatte keine Träume mehr. Karim war aus ihrem Leben geschieden. Ihr Überleben und das Sheilas hingen nun völlig von der Gunst des blauäugigen Mannes namens Abd-al Rahman ab. Er war nicht unansehnlich, entschied sie, aber sie hatte sich nicht vorgestellt, daß er so aussehen würde. Der Kalif war kein großer Mann. Obwohl sie groß für eine Frau war, überragte er sie kaum. Natürlich war seine Kleidung prachtvoll gewesen. Was darunter lag, konnte man nicht wissen, außer, daß er ein stämmiger Mann war. Seine Augenbrauen waren rötlich. Hatte sein Haar die gleiche Farbe? Sie würde es irgendwann erfahren, denn als er sie angesehen hatte, hatte sein offener Blick ihr verraten, daß er sie begehrte.
Man brachte sie in die Frauengemächer des Palastes, die in einem eigenen Gebäude untergebracht waren.
»Diese Sklavin und ihre Dienerin wurden heute morgen dem Kalifen geschenkt«, sagte der Hauptmann der Eskorte zu dem Eunuchen an der Tür. Dann verabschiedete er sich. Seine Pflicht war getan.
»Kommt herein, kommt herein«, winkte ihnen der Eunuch. »Ich werde die Herrin der Frauen holen.
Sie wird dir und deiner Dienerin ein Bett zuweisen. Wartet hier«, ordnete er an und eilte davon.
Zaynab und Sheila sahen sich um. In der mit Säulen verzierten Halle und zwischen den sprudelnden Brunnen tummelten sich Frauen aller Größen, Gestalten und Farben. Die Kakophonie ihrer Stimmen vermittelte den Mädchen den Eindruck, sich in einem riesigen Käfig voller zwitschernder Vögel zu befinden.
»Was? Noch ein Mädchen!« schimpfte die Herrin der Frauen, als sie eintraf und Zaynab kritisch anschaute. »In diesem Palast gibt es bereits mehr als viertausend Frauen. Wie soll ich denn da noch eine unterbringen, frage ich euch? Na ja, du bist ja ganz hübsch, aber der Kalif ist kein junger Mann mehr. Ich nehme an, du wirst alt und fett werden, wie so viele andere. Laß mich mal nachdenken, wo ich dich unterbringen kann.«
»Ich benötige meine eigenen Räumlichkeiten«, sagte Zaynab ruhig.
Die Herrin der Frauen, die Walladah hieß, blickte die junge Frau mit offenem Mund an und staunte.
Dann lachte sie.
»Deine eigenen Räumlichkeiten? Ha! Ha! Ha! Bist du etwa irgendeine Prinzessin, daß ich dir eine Sonderbehandlung zukommen lassen soll? Du hast Glück, wenn ich überhaupt eine Schlafstelle für dich finde. Eigene Räumlichkeiten? Ha! Ha! Ha!«
»Herrin«, sagte Zaynab leise, aber bestimmt, »ich bin nicht irgendein galizisches oder baskisches Mädchen mit gefärbten Haaren. Und ich bin auch keine verängstigte Jungfrau, die hofft, die Gunst ihres Herrn zu gewinnen. Ich bin Zaynab, die Liebessklavin, ausgebildet vom großen Meister der Leidenschaft Karim ibn Habib al Malina. Ich erwarte, meiner Position entsprechend untergebracht zu werden. Wenn Ihr an meinen Worten zweifelt, dann schlage ich vor, Ihr fragt den Kalifen persönlich nach seinen Wünschen. Ich werde mich ihnen ohne weitere Fragen unterordnen.«
Walladah bemühte sich, eine Entscheidung zu treffen. Für das Wohlergehen der Haremsfrauen zu sorgen war ihre Pflicht. Sie war eine entfernte Cousine des Kalifen. Als junge Frau hatte sie ihren Mann verloren und nie wieder einen Heiratsantrag erhalten. Diese wichtige Stellung in Abd-al Rahmans Haushalt hatte sie nur über die Beziehungen ihrer Familie erhalten. Dies hatte ihr
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