Ketten der Liebe
Zeit haben würde, aber das war falsch gewesen. In Hakams Leben war nie genug Zeit für Frauen gewesen, solange es neue Bücher gab, die er lesen und studieren konnte. Aber dennoch hatte Hakam sich in letzter Zeit mehr dafür interessiert, al-Andalus zu regieren. Der Kalif glaubte, daß dies an der Einsicht lag, daß Hakam sechs eifrige, ehrgeizige jüngere Brüder hatte. Trotz allem liebten Vater und Sohn einander, und sie hatten eine enge Beziehung.
In Begleitung seiner Leibwache machte der Kalif sich zur großen Palasthalle auf. Sie war ein Meisterwerk mit einer hohen, gewölbten Decke, die von langen Säulen aus rosa und blauem Marmor gestützt wurde. Die Wände und die Decke waren mit einer dicken Schicht gehämmerten Goldes bedeckt. In der Mitte der Decke hing eine große Perle, die der byzantinische Kaiser Leon dem Kalifen geschickt hatte. Acht Türen aus Elfenbein, Ebenholz und Gold verschlossen die Eingänge zur Halle.
In der Mitte des Saales stand ein großes Kristallgefäß voller Quecksilber aus den Minen des Kalifen in al-Madan. Wenn der Kalif das Zeichen dazu gab, schüttelten Sklaven das Gefäß. Dann schössen Lichtstrahlen durch den ganzen Saal, so daß man den Eindruck hatte, in der Luft zu schweben. War man nicht darauf vorbereitet, war dies ein erschreckendes Spektakel. Selbst für jene, die es schon zuvor erlebt hatten, war es noch ein unglaubliches Wunder. Die Schönheit des Saales wurde von wundervollen Brokatvorhängen, die zwischen den Säulen befestigt waren, und edlen Teppichen auf dem Marmorboden vervollständigt.
Der Morgen verging recht angenehm mit Diplomaten aus den verschiedenen Ländern und ihren Anliegen, die einer nach dem anderen vortraten, ihre Reverenz erwiesen und ihre Geschenke darboten.
Nichts Ungewöhnliches war darunter, aber Abd-al Rahman verbarg seine Langeweile. Prinz Hakam und der Leibarzt des Kalifen, Hasdai ibn Shaprut, waren an seiner Seite.
Hasdai ibn Shaprut, ein Jude, war weit mehr als nur ein medizinischer Ratgeber. Er war dem Kalifen erst vor zwei Jahren aufgefallen, als er ein Universalheilmittel gegen Gift entdeckte. Da Gift die verbreitetste Waffe von Attentätern war, hatte er bei den Reichen und Mächtigen erhebliches Ansehen gewonnen. Der Kalif entdeckte aber schnell, daß sein neuer Freund auch ein ausgezeichneter Diplomat und guter Verhandlungspartner war. In al-Andalus war Religion kein Hindernis für die Karriere eines Mannes. Hasdai ibn Shapruts Aufstieg in die Regierung war sichergestellt.
Abd-al Rahman saß mit überkreuzten Beinen auf einem breiten, juwelengeschmückten Thron. Viele purpurfarbene Kissen sorgten für seine Bequemlichkeit. Über dem Thron hing ein in Himmel aus silbergestreiftem Goldstoff. Hinter vorgehaltener Hand gähnte der Kalif gelangweilt, als der persische Gesandte sich auf den Weg durch die große Palasthalle machte. Er saß nun seit fast drei Stunden dort.
Keines der Geschenke hatte ihn besonders interessiert. Man hatte ihm nur die übliche Menge Rennkamele, Sklaven, Edelsteine und exotische Tiere für seinen Zoo gebracht. Die Begeisterung des frühen Morgens hatte sich gelegt. Vielleicht würde er heute nachmittag ausreifen und mit dem Falken jagen.
Dann verkündete der Kammerherr: »Ehrenwerter Kalif, ein Prunkzug mit Geschenken, die Euch Karim ibn Habib al Malina im Namen des Händlers Donal Righ aus Eire überbringt. Man schickt Euch diese Gaben aus Dankbarkeit für Eure Freundschaft.«
Die Türen vor dem Kalifen öffneten sich schwungvoll, und eine Elefantenherde stampfte in den Saal.
Abd-al Rahman setzte sich auf. Seine blauen Augen funkelten neugierig. Die Elefanten kamen paarweise herein. Neben jedem Tier lief ein Führer, der in blaue und orange Seide gekleidet war.
Zwischen jedem Paar Dickhäuter hing eine wundervoll polierte Säule aus grünem Achat.
Vierundzwanzig Tiere stampften durch die riesige Palasthalle. Ihre dicken Füße drückten sich in die Teppiche. Auf ein Signal des Hauptführers hin hielten alle Elefanten an, hoben ihre Rüssel und grüßten den Kalifen mit schallendem Trompeten, bevor sie weitergingen und die Halle auf der anderen Seite wieder verließen.
»Wundervoll!« sagte der Kalif begeistert. Seine beiden Begleiter stimmten ihm zu.
»Was kann dieser Zug noch zu bieten haben, das diese Vorstellung übertrifft?« bemerkte Hasdai ibn Shaprut. Er war ein schlanker, großer Mann Anfang Dreißig mit warmen, bernsteinfarbenen Augen und dunklem Haar. Wie sein Herr war er glatt
Weitere Kostenlose Bücher