KGI: Blutiges Spiel (German Edition)
dass ihm die Zähne wehtaten. »Hat er dich vergewaltigt?«
Sie lachte sarkastisch. »Er hat’s versucht. Er hat’s versucht, okay? Ich habe ihm gesagt, ich würde es dir erzählen, aber er hat mich ausgelacht. Er hat gesagt, du würdest ihm auf jeden Fall mehr Glauben schenken als mir. Jeder wüsste doch, was ich für eine sei. Ich habe mich erfolgreich gewehrt, und dann hat er vor Wut den Wagen in den Graben gefahren. Anschließend hat er sich verzogen. Wahrscheinlich hat er mit dem Handy einen seiner Kumpel angerufen, dass sie ihn abholen sollen. Keine Ahnung. Ist mir auch egal.«
»Er irrt sich.«
Sie schaute ihn an. »Was?«
»Ich glaube dir.«
Die Erleichterung war ihr deutlich anzusehen. Dicke Tränen rollten ihr über die Wangen, und sie schlug sich schluchzend die Hände vors Gesicht. Er strich ihr vorsichtig übers Haar.
»Damit kommt er nicht durch, Rusty.«
Sie riss den Kopf hoch. »Nein, das darfst du niemandem erzählen. Niemand wird mir glauben. Kein Mensch. Verstehst du? Mein ganzes Leben wäre dann im Eimer. Ich kann dann nie wieder zur Schule zurück.«
Das Traurige war, dass sie in einem Punkt recht hatte: Nicht viele Leute würden ihr glauben. Aber das hieß ja nicht, dass er und die Kellys dem kleinen Drecksack nicht das Leben zur Hölle machen konnten.
»Ich zeige ihn nicht an«, sagte sie mit Nachdruck. »Auf gar keinen Fall. Ich werde behaupten, dass überhaupt nichts passiert ist. Du kannst mich nicht zwingen.«
Sean legte einen Finger unter ihr Kinn und hob es an. »Sieh mich an, Rusty. Ich kenne dich, und wir sind oft nicht einer Meinung. Ich weiß, dass du mich hasst, aber du musst mir bei dieser Sache vertrauen. Ich werde mich darum kümmern.«
Die Hoffnung in ihren Augen zerriss ihm beinahe das Herz. Doch sie blitzte nur ganz kurz auf, dann wurde ihr Blick wieder finster.
»Jetzt sag mir, wo es dir wehtut. Soll ich dich ins Krankenhaus bringen?«
Sie wurde rot und schüttelte den Kopf. »Er hat mich ein paarmal geschlagen und mir die Klamotten zerrissen.«
Er berührte sanft die Blutergüsse an ihrem Hals. »Und was ist hier passiert?«
Sie wich vor seiner Berührung zurück und zog das zerfetzte Hemd höher, um die Stellen zu verbergen. »Das ist nichts. Er hat mich am Hals gepackt, als er das Hemd zerrissen hat.«
Sean juckte es in den Fingern, Matt an den Kragen zu gehen.
»Also, was soll ich jetzt tun? Wenn du willst, bringe ich dich ins Krankenhaus.«
»Ich will zu Marlene«, sagte sie leise.
»Dann fahre ich dich nach Hause. Okay? Ich rufe kurz an, damit sie auch da ist.«
»Ist sie nicht bei Sophie?«
»Ich glaube, du brauchst sie im Moment mehr.«
Sie seufzte erleichtert. »Danke. Du bist gar nicht so übel, weißt du? Für einen Bullen, meine ich.«
Sean schüttelte den Kopf. »Wir sind nicht die Bösen, Rusty.« Er deutete zu ihrem Wagen hinüber. »Brauchst du was aus dem Auto, oder können wir los?«
»Mein Portemonnaie. Und meine Schulsachen.«
»In Ordnung. Bleib sitzen, ich hole sie. Wegen dem Auto verständige ich den Abschleppdienst.«
»Frank und Marlene werden ganz schön sauer sein. Sie haben mir das Auto erst vor Kurzem gekauft, und ich habe versprochen, dass ich darauf aufpasse.«
Sean blieb stehen und beugte sich noch einmal in den Wagen. »Die werden froh sein, dass dir nichts Schlimmeres passiert ist. Das Auto ist ihnen mit Sicherheit egal.«
Während er zu dem Wrack ging, zog er sein Handy aus der Tasche. »Marlene? Sean hier. Ja, mit Rusty ist alles in Ordnung. Hör mal, du bist wahrscheinlich schon auf dem Weg ins Krankenhaus, aber … Rusty braucht dich momentan wirklich dringend. Wartest du auf uns? Dann bringe ich sie gleich bei euch vorbei.«
16
Sean parkte den Streifenwagen vor dem Haus von Matts Eltern, blieb aber noch eine Weile sitzen, um seine Wut unter Kontrolle zu bringen. Mit jugendlichen Schlägertypen wie Matt hatte er öfter zu tun, aber diese Geschichte ging ihm echt an die Nieren. Es war kein Geheimnis, dass er für Rusty nicht sonderlich viel übrighatte. Seit dem Moment, in dem sie erfahren hatte, dass er Polizist war, hatte sie sich ihm gegenüber starrsinnig, unverschämt und aufsässig verhalten. Die meiste Zeit hätte er ihr am liebsten den Hintern versohlt, die andere Hälfte ging er ihr einfach aus dem Weg. Aber sie hatte in keinem Fall verdient, was Matt ihr angetan hatte. Trotz all ihrer Fehler wusste Sean, dass sich hinter ihrer abweisenden Fassade ein empfindsames, unsicheres Mädchen verbarg, das
Weitere Kostenlose Bücher