Kill for Fun: Gnadenlose Geschichten (German Edition)
ab, packte ein Bündel Klamotten nach dem anderen und schleuderte sie zur Seite.
»Sharon!« Diesmal war es Taffys Stimme, kreischend und zitternd.
Sie fand ein blaues Jeansbein, schnappte es sich und zog daran. Unter einem Stapel, der aus einem Tanga, einem schwarzen Lederschuh, einem hellblauen Unterhemd und Kims glänzender grüner Bluse bestand – Slip und Oberteil waren zerrissen und mit Blut besprenkelt –, kam schließlich die restliche Jeans zum Vorschein.
Seine?
Das musste sie sein.
»Sagen Sie es ihm!«, schrie Taffy. »Er tut mir weh!«
»Nur noch eine Minute!«, schrie sie zurück.
Jetzt hab ich’s!
In der linken Gesäßtasche der Jeans ertastete sie etwas von der Größe und Form einer Brieftasche.
»Sharon!«, brüllte der Mann. »Was tust du? Wo bist du?«
Obwohl sie am ganzen Körper zitterte, gelang es ihr, ihre linke Hand in die Hosentasche zu schieben und die Brieftasche herauszuziehen.
»Aufhören!«, schrie Taffy. »Loslassen! Tun Sie das nicht! Nein! Das tut weh!«
Mit der Brieftasche in der einen und der Pistole in der anderen Hand sprang Sharon auf und stürmte zurück ins andere Büro.
»Nein!«, kreischte Taffy. »Bitte, bitte, bitte! Das dürfen Sie nicht! Auuuu!«
Sharons Füße rutschten auf dem blutigen Boden aus. Sie kam schlitternd zum Stehen, drehte sich zur Tür um und klappte die Brieftasche auf.
Taffy schluchzte und wimmerte.
»Ich erinnere mich an deinen Namen!«
»Ach ja, tust du das?« Seine Stimme klang seltsam. Angespannt und atemlos.
Sharon schaute mit zusammengekniffenen Augen auf den Führerschein. »Andy!«, rief sie. »Andy Carvell!«
»Ha! Das ist richtig!«
»Lass Taffy gehen!«
»Na, ich weiß nicht.«
»Du hast es versprochen!«
»Ich weiß, aber … wir haben hier doch gerade so viel Spaß.«
»Haben wir nicht!«, platzte Taffy schluchzend heraus. »Es tut weh!«
»Verdammt, lass sie gehen! Wir hatten eine Abmachung!«
»Du hast doch nicht geschummelt, oder?«
»Ich hab mich wieder erinnert. «
»Der Deal ist geplatzt, wenn du geschummelt hast.«
»Ich hab nicht geschummelt.«
»Ich glaube, dass du ins andere Büro gelaufen bist, wo ich die ganzen Klamotten hingeschmissen habe, und da hast du meine Brieftasche gefunden. Ich glaube, so hast du dich an meinen Namen ›erinnert‹.«
»Stimmt nicht!«
»Doch, stimmt. Zu dumm. Betrüger bringen es nie weit. Sag Taffy auf Wiedersehen.«
»Nicht!«
Der Knall dröhnte in Sharons Ohren. Sie machte einen Satz und stieß einen Schrei aus, stürzte dann nach vorn und riss die Tür auf.
Sie fühlte sich in der Lage, Andy zu erschießen, aber er war gar nicht mehr da.
Nur Taffy. Mit nichts als weißen Socken bekleidet, lag sie zusammengekauert auf dem Boden des Korridors, während sich um sie herum eine Blutpfütze ausbreitete.
In den Kopf geschossen.
Sharon spürte, wie sich ihr Verstand abrupt wieder in mehrere Sharons aufspaltete. Eine dachte: Oh, mein Gott, er hat es getan! Eine andere: Das bringt er doch bei einem kleinen Mädchen nicht fertig. Das muss irgendein Trick sein. Noch eine Sharon dachte: Das ist alles meine Schuld! Und eine weitere: Ich werd ihn umbringen, und wenn es das Letzte ist, was ich tu!
Die letzte Sharon schien höhnisch zu grinsen. Du hättest die Tür nicht aufmachen sollen, du blöde Kuh.
Andy tauchte mit einem Satz irgendwo rechts von ihr wieder vor Sharon auf. Er sah sie an und schlitterte über die Schwelle, wobei das Gewehr locker an seiner Seite baumelte.
Während er an ihr vorbeirutschte, feuerte sie einen Schuss ab.
Er tat dasselbe.
Einen Moment nach dem Knall der 45er und dem Beben der Waffe in Sharons Hand bildete sich ein roter Fleck auf Andys linkem Oberarm.
Beinahe im selben Augenblick spürte sie den Einschlag ins linke Knie, einen eiskalten, stechenden Schmerz, der sich anfühlte, als habe sie eine Kugel aus Eis erwischt. Sie registrierte, wie das Bein unter ihr wegknickte. Um nicht hinzufallen, hüpfte sie auf ihrem rechten Fuß nach vorn, aber ihr Gleichgewicht war vollkommen gestört.
Sie versuchte vom Korridor aus, den Lauf ihrer Waffe herumzureißen, um einen weiteren Schuss auf Andy abzugeben.
Doch dann stieß ihr rechter Fuß gegen Taffy. Sharon verlor endgültig den Halt und knallte auf den Boden.
13
Sharon wunderte sich, dass sie noch nicht das Bewusstsein verloren hatte. Sollte man nicht das Bewusstsein verlieren, wenn einem jemand mit einem Gewehr das Knie zertrümmerte?
Sie wünschte es sich fast.
Ich will hier nicht
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