Kill for Fun: Gnadenlose Geschichten (German Edition)
eigenen Wohnung hinauf. Randys leise, gehetzte Stimme drang aus dem Schlafzimmer. Er legte den Hörer auf, als er sie bemerkte.
»Dann weißt du es also«, sagte er, und grauer Rauch stieg aus seinem Mund auf. Er lag auf dem Bett, das Telefon auf dem Bauch, eine frisch angezündete Zigarre zwischen den Zähnen.
Sie warf den nassen Zigarrenstummel in seine Richtung. Er knallte gegen das Kopfteil des Betts.
»Das reicht«, sagte er. »Hör auf.«
Auf der Kommode stand die Lampe, ihre Flitterwochen-Lampe aus Solvang. Ihr rotes Gehäuse hatte Staub angesetzt, weil sie so lange nicht benutzt worden war. Das Glas zersplitterte über Randys Kopf. Kerosin spritzte auf sein Haar. In seine Augen und seinen vor Überraschung weit aufgerissenen Mund. Auf seine Schultern und seine Brust. Auf seine Zigarre.
Sie gab ein leises Zischen von sich.
Beth hob mit zitternden Händen das Glas an ihre Lippen. Dort hielt sie in der Bewegung inne und wünschte sich nichts sehnlicher, als den faulen, Übelkeit erregenden Gestank wegzutrinken. Aber das wäre dem kleinen Randy gegenüber nicht fair gewesen. Das arme Kind hatte schon mit genug Problemen zu kämpfen: keinen Vater mehr und eine Mörderin als Mutter – Totschlag nannte man das wohl.
Der Geruch des Bourbons half, aber es reichte nicht.
Sie beugte sich nach vorn und nahm eine Zigarre aus der Kiste, die auf dem Lampentisch stand. Sie riss die Verpackung ab und knüllte sie zu einer Kugel zusammen. Das Knistern des Zellophans klang wie prasselndes Feuer.
Sie zündete ein Streichholz an. Schon bald begann die Zigarre zu qualmen. Beth saugte daran und atmete dankbar den Rauch ein.
Eigentlich gar kein so schlimmer Geruch. Viel besser als dieser andere Geruch – der Gestank von brennendem Fleisch.
ICH BIN KEIN KRIMINELLER
» Natürlich ist er das nicht«, sagte Wade.
»Man muss ihm aber ein paar Extrapunkte für Originalität geben«, bemerkte Karen.
»Willst du ihn mitnehmen?«
»Das glaubst du wohl selbst nicht.«
Sie drehten beide ihre Köpfe zu dem Anhalter um, als sie an ihm vorbeirasten. Er stand reglos am Straßenrand. Sein Haar klebte durch den Regen platt an seinem Kopf und seine Wangen waren rot gefärbt. Da sich sein Poncho hinter ihm wölbte, nahm Wade an, dass der Typ einen Rucksack trug. Die Buchstaben auf dem nassen Pappschild, das er vor seine Brust hielt, sahen aus, als habe er sie mit schwarzem Buntstift geschrieben.
Er war nicht der erste Anhalter, dem sie begegneten, seit sie vor vier Tagen ihre Reise an der kalifornischen Küste entlang begonnen hatten. Er war auch nicht der erste, der ein Pappschild in der Hand hielt. Aber auf den anderen Schildern hatten immer Ortsnamen gestanden: Crescent City, Eureka, Portland.
Aber weder auf dieser Strecke noch je zuvor in seinem Leben hatte Wade einen Tramper gesehen, auf dessen Schild sich der Hinweis ICH BIN KEIN KRIMINELLER fand.
Karen drehte sich um und blickte zurück. Im Rückspiegel beobachtete Wade, wie der junge Mann sich wieder in Bewegung setzte.
»Zweifel?«, fragte er.
Sie sah Wade an und grinste spöttisch. »Oh, lass uns schnell zurückfahren und ihn mitnehmen. Schließlich ist er kein Krimineller.«
»Das behauptet er.«
»Und dann muss es natürlich auch wahr sein, stimmt’s? Gibt es wirklich Leute, die darauf reinfallen?«
»Wahrscheinlich ist er wirklich kein Krimineller.« Wade bog um eine Kurve und blickte erneut in den Rückspiegel. Alles, was er durch den Regen erkennen konnte, war die leere Straße, die von Mammutbäumen gesäumt wurde. »Wahrscheinlich ein Student oder so.«
»Ja, oder so. Zum Beispiel ein Serienkiller.«
»Was auch immer er sein mag, er ist clever.«
»Da bin ich mir nicht so sicher. Das Schild erregt auf jeden Fall Aufmerksamkeit, aber das Erste, was einem in den Sinn kommt, ist, dass es sich wahrscheinlich um eine Lüge handelt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wirklich jemand so dumm ist, ihn mitzunehmen.«
»Man muss dafür ja nicht unbedingt dumm sein.«
»Nein, man muss nur eine gewisse Todessehnsucht verspüren.«
»Ich kann mir schon vorstellen, dass einige Leute Mitleid mit ihm haben. Ein adretter junger Mann, der mitten im Nirgendwo im Regen steht. Irgendein guter, anständiger Mensch hält sicher aus purer Nächstenliebe für ihn an. Oder jemand, der einsam ist und ein bisschen Gesellschaft sucht. Oder ein Serienkiller, der Männer bevorzugt.«
Karen kicherte leise bei seiner letzten Bemerkung.
Der Regen prasselte stärker. Wade drehte das
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