Kill your friends
Nein, doch nicht heutzutage. Du machst Witze, oder? Du stehst vor irgendeinem Tribunal, noch bevor du »Aber sie wollte es doch auch, Euer Ehren« sagen kannst. Eine flüchtige Vorahnung davon, wie übel ich Rebecca in den kommenden Wochen und Monaten werde behandeln müssen, um sie loszuwerden, ringt mir einen Seufzer ab.
Betend, dass sie wieder eingeschlafen ist, schleiche ich auf Zehenspitzen zurück ins Schlafzimmer. Ist sie nicht. Mit dem Ellbogen auf ein Kissen gestützt, beobachtet sie mich aufmerksam. »Ich muss los«, sage ich, »Glasgow.«
»Ich weiß«, sagt sie ausdruckslos. Ich bücke mich nach meiner Hose. Daneben liegt ein seltsam verbogener Kleiderhaken. Die Apparatur. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen kicke ich sie unters Bett. »Steven?«, sagt Rebecca.
»Mmmm?«
»Du hast Roger umgebracht. Stimmt’s?«
Absolute Stille. Draußen vor dem Fenster kreischt eine Möwe. Ich schiele zu ihr hinüber, zu verkatert, um zu denken, zu lügen. Ich bringe ein klägliches, heiseres Lachen zustande: »Was?«
»Es kümmert mich nicht«, fährt sie sehr sachlich fort, »er war ein Idiot.«
Ich setze mich, und wir blicken uns lange Zeit an, ohne dass einer von uns ein Wort spricht. Es ist, als würde ich Rebecca zum ersten Mal wirklich wahrnehmen und ein Potenzial an Stärke und Willenskraft erkennen, von dem ich gar nicht wusste, dass sie es besitzt.
»Wie kommst du darauf, dass ich ihn getötet habe?«
»Ich folge dir manchmal. Ich gehe auf all diese dämlichen Konzerte, weil ich weiß, dass du dort sein wirst. Ich habe in der Nacht, als er starb, auf der anderen Straßenseite gegenüber von Rogers Haus geparkt. Ich habe seine Wohnung beobachtet, weil ich wusste, dass du dort bist. Ich habe dich weggehen sehen.«
»Warum solltest du …«
»Ich liebe dich, Steven.«
Ich sitze da, bade in der Hitze der Hölle, die sich aufgetan hat, und gebe mir etwas Zeit, diese neue Information zu verarbeiten: Rebecca ist wahnsinnig. Eine mittlere Ewigkeit verstreicht, ehe ich wieder spreche.
»Was hast du jetzt vor?«, frage ich.
Sie sagt es mir. Ich kann nicht glauben, sie richtig verstanden zu haben, also bitte ich sie, es zu wiederholen.
»Ich will, dass wir heiraten«, sagt sie ein weiteres Mal.
»Okay …«
»Und dann werden wir nie wieder über Roger reden.«
»Okay …«
***
Einige traumatische Stunden später (ich habe meinen Autoschlüssel verloren, also müssen wir ein Taxi zum Flughafen nach Gatwick nehmen, während der Saab in Brighton auf einem gebührenpflichtigen Parkplatz stehen bleibt, was mich dreißig Pfund am Tag kostet) stehe ich zum Einchecken an der Rezeption des Glasgow Hilton. Vor mir warten fünf Reihen brüllender, mit Kreditkarten, Reisegutscheinen und Bestätigungsschreiben wedelnder Vollspacken. Die Mädchen hinter der Rezeption wirken wie die letzten verbliebenen Rotröcke in Rorke’s Drift, die versuchen, sich einem aufgebrachten Mob speerschwingender Hottentotten, mit nichts als zwei Patronen und einer Bibel bewaffnet, entgegenzustellen.
Hinter mir arbeitet sich Parker-Hall durch die Menge (»Alles klar, Mann! Geile Sache! Geh kacken, Alter!«). Bar, Lobby und der Rezeptionsbereich sind zu einem einzigen großen, versoffenen Getümmel fusioniert. Ich möchte bloß noch auf mein Zimmer. Um darüber nachzudenken, wie ich einen Weg aus diesem Schlamassel finde.
Parker-Hall und ich sind aufgrund unserer Konferenz verhältnismäßig spät dran. Einige Leute, vor allem die Scouts, sind bereits seit mehreren Tagen hier. Pete Tong sagt: »Hallo!« Nigel Coxon von Island stiefelt vorbei. Matthew Rumbold von Food winkt herüber. Eine Gruppe Verleger drängt sich an der Bar. Mike Smith von der EMI redet lebhaft auf Bruce Craigie von Deceptive und diesen Anwalt von Russel’s ein. Denjenigen, der sich um den Idlewild-Deal kümmert. Rob Stringer lauscht aufgebracht seinem Mobiltelefon. Ian Brodie von den Lightning Seeds schlurft vorbei. Die Leute reden über Bands. Sie reden über Idlewild, die Lanterns und die Smilies. Sie reden über Magic Drive und Dawn of the Replicants. Sie reden über High Fidelity, Tarn und Fat Lip, als »Candle in the Wind« durch die Lobby säuselt und das Getöse der Konversation untermalt.
In The City, mal wieder. Scheiß In The City.
In The City ist ein jährlich stattfindender Musikindustriekongress, den Tony Wilson in den frühen Neunzigern aus dem Boden gestampft hat. Der Tony Wilson, der Factory Records gegründet und geleitet hat, bis diese
Weitere Kostenlose Bücher