Killerspiel
aufs Gas und bretterte hinter der Kreuzung Richtung Brücke. Das war das Letzte, was ich je vom Armands Circle sah.
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E s geht alles schief, aber das wundert ihn nicht. Hunters Leben ist schiefgegangen, seit er das Licht der Welt erblickt hat, vielleicht auch schon davor. Eine Zeitlang hat er gehörig dazu beigetragen. Er hat in der Schule nicht gelernt und sich um nichts geschert, was ihm irgendjemand gesagt hat. Er hat sich zu üblen Sachen mitreißen lassen, mit den falschen Jungs rumgehangen – und ist in ihrer Gesellschaft zu dem jungen Mann geworden, den sich Eltern ganz gewiss nicht wünschen, wenn sie zum ersten Mal ein warmes Bündel auf den Knien wiegen, das sein ganzes Leben noch vor sich hat.
Und er war in jener Nacht dabei, aktiv und unentschuldbar, als eine dicke, alte Frau heimkam, eine Horde johlender, junger Einbrecher in ihrem Haus vorfand und so erschrak, dass ihr Herz versagte.
Die anderen Jungs rannten weg, als klarwurde, dass sie tot war, doch Hunter blieb und versuchte unbeholfen, sie wiederzubeleben, während er überlegte, ob er die Polizei oder einen Krankenwagen rufen sollte. Am Ende rannte er selbst auch weg.
Doch am nächsten Tag ging er nicht in die Bar, in der sie sich immer trafen. Er ließ ihre Anrufe unbeantwortet, und schon bald kamen keine mehr. Seine ehemaligen Freunde kosteten die ganze Bandbreite vom alkoholisierten Delirium bis zu Knast und Tod aus. Er nicht.
Diese eine Nacht hatte ihm gereicht.
Er rannte die Seitentreppe zum Restaurant hinauf und drängte sich oben an dem Mädchen mit dem schicken, schwarzen Hosenanzug vorbei. Er sah sich unter den Gästen um, konnte von den Thompsons jedoch keine Spur entdecken. Sie waren hier irgendwo, so viel stand fest – das war überhaupt der Grund, weshalb er den Makler hatte laufenlassen, um herauszufinden, was er als Nächstes tat: Das war der Grund, wieso er ihm das Foto gezeigt und ihm damit Feuer unter dem Hintern gemacht hatte. Er hatte gelernt, Spielchen voranzutreiben.
Er suchte das ganze Geschoss ab, ignorierte die neugierigen Blicke der Gäste und des Personals, bis ihm eine Kellnerin sagte, »die Toiletten sind da drüben, Sir«.
Er machte auf dem Absatz kehrt und wandte sich in die Richtung. Überall sonst hatte er schon nachgesehen. Er machte sich nicht mal die Mühe, die Toiletten zu überprüfen, sondern lief sofort zu der auffällig unauffälligen Tür, die er am Ende des Flurs entdeckte. Sie war nur angelehnt, nicht aber eingeschnappt, nachdem es offenbar der Letzte, der hier durchgekommen war, zu eilig gehabt hatte, um sie richtig zu schließen. Er schob sie leise auf und fand die schmale Treppe auf der anderen Seite.
Er zog seine Waffe und lief hinauf.
Zehn Jahre unterwegs. Zehn Jahre als ein Niemand, dieser höfliche, respektvolle Mann, der ziemlich gut darin war, Dinge auszubessern oder zu reparieren. Zehn Jahre lang hat er sich den Wind um die Ohren wehen lassen, bevor er einen Ort fand, der schön war und warm, mit einem Strand und einer sanften Brise, mit freundlichen, entspannten Menschen, die nicht danach fragten, wer er einmal gewesen war. Er fand Arbeit. Er war handwerklich begabt. Er war bemüht, es den Leuten recht zu machen.
Und er fand Katy, das heißt, sie fanden einander.
Später erzählte sie ihm, dass sie sich an dem Abend, an dem sie sich kennenlernten, besonders mies gefühlt hätte und nur in die Bar gekommen sei, um sich – nicht zum ersten Mal – bis zur Bewusstlosigkeit zu betrinken. Irgendwie endete es damit, dass sie sich stattdessen in ein Gespräch vertieften. Als sie sich hinterher auf dem Parkplatz draußen trennten, waren sie beide nicht mehr nüchtern, doch es hatte gereicht, um Telefonnummern auszutauschen und sie nicht zu verlieren.
Er fand die Liebe.
Das geht tatsächlich – in Wahrheit läuft es sogar immer so. Liebe kann man nicht willentlich herbeiführen oder erzwingen, man hat herzlich wenig Einfluss darauf … man kann sie nur finden – mehr trägt man nicht dazu bei, das ist einfach so. Wenn man Glück hat, ist man zur richtigen Zeit am richtigen Ort, am richtigen Abend auf dem richtigen Barhocker zum Beispiel. Der schiere Zufall macht es umso geheimnisvoller. Es gibt die Liebe irgendwo da draußen; sie ist so rar und kostbar wie Gold und schöne Juwelen und das Ende eines jeden Regenbogens. Sie hat aber Seltenheitswert, und wenn man sie gefunden hat, muss man sie mit beiden Händen festhalten und darf sie niemals, niemals wieder
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