Killing time
Dr. Kelley, hätte ich mir schon längst Rechtsbeistand geholt.«
»Mmm … ja, ich weiß. Wirst du heute mit Heather Stevens’ Familie sprechen?«
»Ihr Vater ist tot, und ihre Mutter weigert sich, mit mir zu reden. Aber sie hat eine jüngere Schwester. Ich habe sie gestern Abend angerufen, und sie war bereit, sich heute Morgen mit mir zu treffen.«
»Viel Glück, Jim. Ich hoffe, du findest irgendetwas heraus, das uns hilft, unseren Täter zu schnappen, bevor er sich sein nächstes Opfer aussucht.«
Jim wusste nicht, was ihm Heathers Schwester erzählen könnte, falls überhaupt etwas. Er hatte ja keine Ahnung, wonach er suchte. Aber er war sich instinktiv sicher, dass die Antwort auf all ihre Fragen zu dem
Heimlichen Bewunderer
hier in Greenville wartete. Heather Stevens, davon war er überzeugt, konnte die Lösung des Rätsels sein.
Hilary Stevens Etheridge war siebzehn, als ihre einundzwanzigjährige Schwester Heather ermordet wurde. Der leitende Ermittler in dem Fall, Hal Shepard, hatte sich gestern Abend noch spät mit Jim auf der Polizeiwache getroffen und seine Verbindungen spielen lassen, damit Jim Kopien der damaligen Akten bekam. Die halbe Nacht war Jim die alten Akten durchgegangen, hatte alles wieder und wieder gelesen und gehofft, auf irgendeinen Hinweis zu stoßen, der die Identität des Mörders lüftete. Nach beinahe sieben Jahren war der Fall immer noch ungelöst, genau wie der Mord an Heathers bester Freundin, Shannon Elmore, der ein Jahr später ebenfalls hier in Greenville begangen wurde.
Jim stieg aus seinem Mietwagen, verriegelte ihn und ging den Weg hinauf zu dem gepflegten, zweistöckigen Backsteinhaus, das in einem teuren Neubauviertel lag. Die Stevens-Familie war betucht und gesellschaftlich hoch angesehen, ebenso wie Kyle Etheridge, der Mann, den Hilary vor zwei Jahren geheiratet hatte. Wäre die Polizei in der Lage gewesen, den Mord an Heather aufzuklären, sie hätte es längst getan. Ihre Familie machte seinerzeit ihren gesamten Einfluss geltend, um die hiesigen Ermittler unter Druck zu setzen.
Jim läutete an der Tür und wartete. Mehrere Minuten später öffnete eine attraktive junge Frau. Sie war hochschwanger.
»Mrs. Etheridge?«
»Ja.« Sie lächelte ihn unsicher an. »Und Sie sind Captain Norton?«
Er nickte.
»Kommen Sie doch herein.«
Er folgte ihr durch die Diele in ein acht mal acht Meter großes Wohnzimmer und setzte sich auf die elegante, moderne Couch, auf die sie zeigte. Sie machte es sich auf einem großen, üppig gepolsterten Sessel so bequem, wie es ihr Zustand erlaubte, und legte beide Hände unter ihren runden Babybauch.
»Ich weiß es sehr zu schätzen, dass Sie bereit sind, mit mir zu reden«, sagte Jim.
»Wenn das stimmt, was Sie sagen – dass der Mann, der Heather umgebracht hat, neun weitere Frauen ermordet hat …« An dieser Stelle versagte ihre Stimme.
»Ich habe mit dem früheren Polizeichef Hal Shepard gesprochen«, erklärte Jim. »Er ist den Fall mit mir durchgegangen, und ich habe alle Akten durchgesehen, ob ich darin irgendetwas finde, das mir weiterhilft.«
»Aber Sie haben nichts gefunden.«
»Stimmt.«
»Am Ende meinte die Polizei, Heather wäre von einem durchreisenden Irren entführt, vergewaltigt und getötet worden, der gleich nach der Tat wieder aus der Gegend verschwand.«
»Und ihre Familie, ihre Freunde oder Bekannten wussten von niemandem, der etwas gegen Heather hatte?«, fragte Jim.
»Nein. Meine Schwester war sehr beliebt in der Highschool und am College. Alle mochten sie. Sie war klug und schön und …« Hilary schluckte gegen die Tränen an, die ihr in die Augen stiegen.
»Dann hatte sie keine Feinde und niemanden, der eifersüchtig auf sie war? Gab es keinen Exfreund, der sich nicht mit dem Gedanken abfinden wollte, dass sie einen anderen hatte?«
Hilary sah Jim an. »Natürlich gab es Mädchen, die eifersüchtig auf sie waren. Alle Mädchen beneideten sie. An der Leighton-Schule gab es keine einzige Brünette, die nicht zu den Zobel-Mädchen gehören wollte. Aber meine Schwester wurde nicht von einer Frau vergewaltigt und ermordet. Und was frühere Freunde angeht …« Sie schüttelte den Kopf. »Wenn Sie die Akten gelesen haben, wissen Sie ja, dass Captain Shepard alle früheren Freunde von Heather befragt hat und keiner von ihnen verdächtig war.«
»Was ist ein
Zobel
-Mädchen?«, fragte Jim.
Hilary lächelte versonnen. »Ach, das war ein sehr exklusiver kleiner Club, den Heather gegründet hatte,
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