Kim Schneyder
dieser Person nicht zu verhandeln ist, und ich will auch nicht riskieren, generell Hausverbot zu bekommen, weil wir den ganzen Laden blockieren.
Sepia schiebt sich auf einmal näher an mich heran. »Hypnotisier sie!«, raunt sie mir ins Ohr.
»Wie bitte?«, frage ich entgeistert zurück.
»Hypnotisier sie, und dann mach sie glauben, du wärst Lady Gaga, dann lässt sie dich garantiert rein!« Sie zwinkert mir verschwörerisch zu.
»Unsinn, Sepia, so geht das nicht … dazu bräuchte ich ein Pendel und … abgesehen davon spreche ich nicht mal ihre Sprache! Nein, es hat keinen Sinn«, zucke ich die Schultern. »Geht ihr schon mal rein, und ich gehe meinen Pass holen.«
»Na gut, wie du meinst«, gibt Sepia ein bisschen enttäuscht nach. »Weit ist es Gott sei Dank ja nicht.«
Bis ich wieder zurück bin, herrscht beim Casino schon reger Andrang, sodass ich mich anstellen muss, bis ich erneut vor dem Pitbull stehe. Ihre Augen werden sofort zu schmalen Schlitzen, als sie mich erkennt, und natürlich zischt sie gleich wieder ihr nervtötendes: »Passeport!«
Ich strecke demonstrativ meine Brüste raus und knalle ihr wortlos meinen Reisepass und die zehn Euro Eintrittsgeld auf den Tresen. Sie registriert im Gegenzug ebenso wortlos meine Daten und händigt mir dann meine Eintrittskarte aus.
Also wirklich, unter Kundenfreundlichkeit hatte ich mir etwas anderes vorgestellt. Ich gebe mir alle Mühe, mir meinen Ärger nicht anmerken zu lassen, obwohl es mich gewaltig wurmt. Doch als ich mich von ihr abwende, entdecke ich etwas, womit ich mir augenblicklich Genugtuung verschaffen kann: Ein Beschwerdebriefkasten, samt vorgedruckten Zettelchen und einem goldglänzenden Stift daneben.
Na, wenn das kein Zufall ist.
Hm, mal überlegen. Am meisten Wirkung erziele ich zweifellos, wenn ich meine Beschwerde auf Französisch deponiere, denn dann wird die Casinoleitung denken, ich wäre eine gebildete und weltgewandte Person. Ob ich nicht besser Sonja zurate ziehe? Andererseits, ihr Französisch klingt auch nicht unbedingt nach einem Studium an der Sorbonne. Vielleicht auf Englisch? Bringt auch nicht viel, das kann ich kaum besser als Französisch.
Ach, was soll’s, sage ich mir dann. Wir haben schließlich eine ganze Menge durchgeackert auf der Herfahrt, die paar Sätze werde ich damit wohl noch hinkriegen, das wäre doch gelacht.
Ich schnappe mir also Papier und Kugelschreiber und warte, bis die Gewitterziege in meine Richtung sieht. Dann hebe ich demonstrativ meine Schreibutensilien, und zufrieden registriere ich, wie ihr Blick nervös zu flackern beginnt.
Ha, der werd ich’s zeigen. Die wird sich in Zukunft hüten, gut gelaunte Touristen in hauchdünnen Sandaletten nachts durch die Straßen zu jagen.
So, wie könnte denn die Berufsbezeichnung für diese Kuh lauten? Concierge? Hm, das klingt eher nach Hotel, finde ich. Und was soll ich überhaupt schreiben?
Ihre Empfangsdame ist äußerst unfreundlich, zum Beispiel. Das wäre einfach und würde durchaus seinen Zweck erfüllen. Wobei ich mir das »äußerst« gleich abschminken kann, auf die entsprechende französische Vokabel werde ich nie im Leben kommen. Bleibt also nur die Sparversion, aber die wird’s schließlich auch tun.
Dann wollen wir mal ein bisschen kombinieren: »Chef de la cuisine« bedeutet wörtlich Chef der Küche, diese Kuh ist aber kein »Chef«, nehmen wir also »Madame«, besser noch mit Artikel, »La Madame«, das wäre dann: »La Madame de la …« Empfang, wie nennen die das … ah, genau, »réception«, das liest man doch überall. Also: »La Madame de la réception« ist … est …
Ich grüble. Mir muss doch irgendein Wort für »unfreundlich« einfallen! Sonja hat uns während der Fahrt mit Hunderten Vokabeln vollgequatscht, aber gemerkt habe ich mir davon herzlich wenig. Hat sie nicht auch irgendetwas erwähnt wie »freundlich«, oder »sonnig«, oder so was in der Art? Dann blitzt es in meinem Oberstübchen auf: »Ohsänt«, oder so ähnlich. Auf jeden Fall hat es so geklungen …
Aber wie schreibt man das?
Ein bisschen was habe ich mitbekommen von der französischen Schreibweise, »oh« schreiben die »en«, soviel weiß ich, und dieses »sänt«, das muss dann wohl irgendwas mit »ein« sein … egal, ich will ja keine Rechtschreibolympiade gewinnen. Dann brauche ich jetzt nur noch »nicht«, und das ist leicht: »non«.
Also schreibe ich: »La Madame de la réception est non enseint!!!«
Mit drei Ausrufezeichen, wohlgemerkt.
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