Kim Schneyder
Flagge. Seltsam, mich haben die noch nie eingeladen«, kratzt er sich dann hinter dem Ohr.
»Das liegt wahrscheinlich an deiner Körbchengröße«, vermute ich.
»Und daran, dass du keine Stringtangas trägst«, ergänzt Sonja.
»Ihr meint, denen fehlen bloß ein paar Weiber?«, begreift Bodo.
»Ich schätze, ja.«
»Dann werdet ihr mich hier im Stich lassen?«, fragt er missmutig.
»Nein, ganz sicher nicht«, beeile ich mich zu sagen. »Ich weiß nicht, wie ihr das haltet, aber soweit es mich betrifft, gehe ich nur mit Bodo rüber. Das sind wir ihm schuldig, nachdem er so gastfreundlich war, abgesehen davon wissen wir nicht, auf welche Leute wir dort treffen.«
»Heidi hat vollkommen recht«, pflichtet Sonja mir bei. »Bodo muss auf jeden Fall mitkommen. Wäre doch unfair, würden wir ihn nicht an unserem gesellschaftlichen Aufstieg teilhaben lassen.«
Bodo macht ein säuerliches Gesicht. »Lieb von euch.« Dann erhebt er sein Glas. »Die angebrochene Flasche trinken wir aber noch aus. Zum Wohl!«
Als wir eine halbe Stunde später zur White Cloud hinübermarschieren, stelle ich fest, dass auch ich bereits mächtigen Wellengang unter den Füßen habe. Als ich Bodo darauf anspreche, erklärt er: »Das ist ganz normal, Seefahrer nennen es die Landkrankheit. Wenn man sich längere Zeit auf einem schwimmenden Untersatz befindet, gewöhnt sich der Körper an die schaukelnden Bewegungen, und später auf dem Festland versucht sie der Körper dann immer noch auszugleichen. Daher auch der wiegende Gang von Seeleuten, weißt du?«
Sieh mal einer an, was es doch alles gibt. Wobei, so besonders toll geschaukelt hat es gar nicht auf der Scene it, und wirklich lange drauf gewesen sind wir auch nicht.
»Liegt es auch an der Landkrankheit, wenn man sich mit dem Sprechen schwertut?«, kichert Sonja plötzlich hinter uns.
Ich kichere mit, denn ich weiß, was sie meint. Das, woran wir leiden, hat nämlich nicht das Geringste mit der Seefahrt zu tun, das kann auch der wasserscheuesten Landratte widerfahren, und die korrekte Bezeichnung dafür lautet: mittelschwere Alkoholisierung.
Auf der White Cloud geht schon richtig die Post ab, als wir an Bord kommen. Der Typ, der uns eingeladen hat, erspäht uns sofort. Er heißt Jean-Luc, und aus der Nähe kann man erkennen, dass er schon an die fünfzig sein muss. Er begrüßt uns mit Wangenküsschen – fairerweise auch Bodo, woraufhin der ziemlich große Augen macht – und versorgt uns dann sofort mit Champagner. Anschließend führt er uns ein bisschen herum und erklärt uns die Jacht, wobei ich wieder nicht viel verstehe, aber das ist auch gar nicht nötig.
Denn was ich sehe, reicht völlig.
Die White Cloud ist keine Jacht, sondern ein ausgewachsenes Schiff. Sicher dreimal so groß wie die Scene it, mit drei Decks – eines davon mit Whirlpool –, einem Salon, der halb im Freien liegt, und eines, das größer ist als meine gesamte Wohnung, ich schwör’s. Und von den Kajüten will ich jetzt erst gar nicht anfangen, denn davon hat sie mehr, als ich in meinem Zustand überhaupt zu zählen in der Lage bin, und selbstredend sind alle top ausgestattet.
»Träume ich das hier gerade? Und falls ja, kneif mich bloß nicht!«, schreit Sepia mir zwischendurch ins Ohr. Die Musik dröhnt so laut, dass man sein eigenes Wort kaum verstehen kann.
»Ja, der Wahnsinn!«, schreie ich zurück, und das kann man jetzt schön langsam wörtlich nehmen.
Immer mehr schickes Publikum trudelt ein, und trotz des Durcheinanders scheint alles perfekt organisiert zu sein. Eine ganze Reihe von Serviermädchen schwirrt herum, und sogar einen livrierten Kellner entdecke ich, und die laute Musik und die verschiedenen Drinks, die einem ständig gereicht werden, tun ihr Übriges, dass sich bei mir schön langsam alles zu drehen beginnt.
Mein Gefühl für Zeit und Raum geht nach und nach verloren, und sicherheitshalber halte ich mich an Sonja und Sepia, bis die auf einmal verschwunden sind, ohne dass ich mitbekommen hätte, wohin. Mit zunehmender Schwere in meinen Beinen mache ich mich auf die Suche nach Bodo, laufe stattdessen jedoch Jean-Luc in die Arme. Der zerrt mich lachend auf die Tanzfläche, wo er sich eng an mich schmiegt und mir unverständliche Sachen ins Ohr flüstert. Dann taucht zu meiner Erleichterung plötzlich Bodo auf, dem das ziemlich gegen den Strich zu gehen scheint. Daraufhin tanze ich mit ihm, und zwar wesentlich enger als mit Jean-Luc, was Bodo wiederum sehr zu gefallen scheint, aber
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