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Kind 44

Kind 44

Titel: Kind 44 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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die Scheune.«
    Wassili ging los. Leo hielt ihn am Arm zurück. »Wir fassen ihn lebend!«
    Auf halbem Weg zum Haus verteilten sich die elf Männer in drei ungleich starke Gruppen und rückten in drei verschiedenen Richtungen weiter vor. Ein paar Nachbarn linsten verstohlen durch die Fenster und verschwanden dann wieder im Innern ihrer Häuser. 30 Schritt vor der Tür blieb Leo stehen, damit seine Leute in Position gehen konnten. Wassilis Gruppe kreiste die Scheune ein, während die dritte Gruppe die Rückseite des Hauses erreichte. Alle warteten auf Leos Signal.
    Hier draußen gab es kein Lebenszeichen. Aus dem Schornstein entwich ein dünnes Rauchwölkchen. Vor den Fenstern hingen zerlumpte Fetzen, die einen Blick ins Innere verwehrten. Außer dem Klicken der Entsicherungshebel herrschte vollkommene Stille. Plötzlich kam ein kleines Mädchen aus einem kleinen, rechteckigen Schuppen – dem Plumpsklo, das etwas abseits vom Haupthaus stand. Sie summte vor sich hin, der Schnee trug die Melodie weiter. Die drei Leo am nächsten stehenden Beamten wirbelten herum und legten auf sie an. Das kleine Mädchen erstarrte vor Angst. Leo hob die Hände. »Nicht schießen!«
    Er hielt den Atem an und hoffte, kein Maschinengewehrfeuer zu hören. Stille. Keiner rührte sich. Und dann fing das kleine Mädchen an zu laufen, rannte so schnell es konnte auf das Haus zu und schrie nach seiner Mutter.
    Leo spürte die erste Woge des Amphetamins. Augenblicklich war seine Müdigkeit wie weggeblasen. Er sprang vor, die Männer kreisten das Haus ein wie eine Schlinge, die sich um einen Hals legt. Das kleine Mädchen riss die Vordertür auf und stolperte hinein. Leo war nur Sekunden hinter ihr, stemmte sich mit der Schulter gegen die Tür, hob seine Pistole und stürmte ins Haus. Er fand sich in einer kleinen, warmen Küche wieder, die von Frühstücksduft erfüllt war. Vor einem kleinen offenen Herd standen zwei Mädchen, das ältere vielleicht zehn und das andere vier Jahre alt. Ihre Mutter, eine zähe, hart wirkende Frau, die aussah, als könne sie Kugeln schlucken und wieder ausspucken, hatte sich schützend vor sie gestellt und hielt jeder eine Hand vor die Brust. Aus dem Schlafzimmer kam ein Mann um die vierzig hinzu. Leo wandte sich an ihn.
    »Michail Swjatoslawitsch?«
    »Ja?«
    »Mein Name ist Leo Stepanowitsch Demidow, ich bin Offizier des MGB. Anatoli Tarasowitsch Brodsky ist ein Spion. Er wird gesucht. Er soll verhört werden. Sagen Sie mir, wo er ist.«
    »Anatoli?«
    »Ihr Freund. Wo ist er? Und lügen Sie nicht.«
    »Anatoli wohnt in Moskau. Er ist Tierarzt. Ich habe ihn seit Jahren nicht mehr gesehen.«
    »Wenn Sie mir sagen, wo er ist, will ich vergessen, dass er überhaupt hierher gekommen ist. Ihnen und Ihrer Familie wird dann nichts geschehen.«
    Michails Frau warf ihrem Mann einen schnellen Blick zu. Das Angebot war verlockend. Leo überkam ein grenzenloses Gefühl der Erleichterung. Er hatte richtig vermutet. Der Verräter war hier. Ohne eine Antwort abzuwarten, bedeutete Leo seinen Männern, das Haus zu durchsuchen.
    ***
    Mit erhobener Waffe, den Finger am Abzug, betrat Wassili die Scheune. Er näherte sich einem Haufen Stroh, dem einzigen Ort, wo man sich verstecken konnte. Nacheinander feuerte er einige kurze Salven ab. Strohbüschel stoben hoch und die Mündung der Maschinenpistole rauchte. Hinter ihm schnaubten die Kühe, drängten sich zusammen und scharrten mit den Hufen. Aber Blut kam nicht herausgelaufen. Hier war niemand, sie verschwendeten nur ihre Zeit. Er ging nach draußen, schulterte die Maschinenpistole und zündete sich eine Zigarette an.
    Alarmiert von den Schüssen kam Leo aus dem Haus gelaufen. Wassili rief ihm zu: »Hier ist niemand.«
    Vollgepumpt mit chemischer Energie, die Zähne fest zusammengepresst, hetzte Leo zur Scheune.
    Wütend, dass man ihn ignorierte, warf Wassili die brennende Zigarette in den Schnee und sah zu, wie sie sich bis zum Boden durchfraß.
    »Da drin ist er nicht, es sei denn, er hat sich als Kuh verkleidet. Vielleicht solltest du sie erschießen, nur für den Fall.«
    Nach Gelächter heischend blickte Wassili sich um, und seine Männer taten ihm den Gefallen. Aber er ließ sich nichts vormachen. Er wusste, dass keiner das besonders lustig gefunden hatte. Umso besser, denn wenn sie trotzdem lachten, bedeutete es, dass sich das Kräfteverhältnis allmählich verschob. Ihre Ergebenheit gegenüber Leo schwand. Vielleicht lag es an der anstrengenden Fahrt. Vielleicht auch an Leos

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