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Kind der Hölle

Kind der Hölle

Titel: Kind der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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daß seine eigene Mutter jemals schwanger war! Und er würde es nie für möglich halten, daß eine Frau ihr eigenes Baby umbringen kann.«
    Unwillkürlich umklammerte Kim ihr kleines goldenes Kreuz. »Woher weißt du, daß Tante Cora das getan hat?«
    »Das weiß doch jeder«, antwortete Luke. »Das Baby wurde zwar nie gefunden, aber …«
    Das Kreuz fühlte sich plötzlich so heiß an, daß Kim es schnell losließ. »Wie können alle wissen, daß sie es getötet hat, wenn es nie gefunden wurde? Woher will man wissen, daß es dieses Baby überhaupt gegeben hat?«
    Luke schaute leicht verunsichert drein, konterte aber trotzig: »Wenn es dieses Baby nicht gegeben hätte, könnte man es nachts nicht weinen hören! Und warum sollte es weinen, wenn seine Mutter es nicht umgebracht hätte? Ich sage euch, in St. Albans weiß jeder, was in diesem Haus passiert ist, und mein Onkel sagt…«
    Kim geriet plötzlich in Wut. Woher wollte dieser Junge wissen, was hier geschehen war? Schließlich war er nicht dabeigewesen. Und warum sagte er dauernd ›jeder weiß‹? »Ich wette, daß nichts Derartiges passiert ist«, fiel sie ihm ins Wort, bevor er berichten konnte, was sein Onkel erzählte. »Was hast du jemals mit eigenen Augen gesehen oder mit eigenen Ohren gehört? Und falls du tatsächlich etwas gesehen oder gehört haben solltest, mußt du unbefugt hier eingedrungen sein! Dieses Haus mag lange leer gestanden haben, aber das gibt niemandem das Recht, Privatbesitz zu betreten!« Luke bekam einen hochroten Kopf, und Kim sah, daß er seine rechte Hand zur Faust ballte. »Hast du etwa die Absicht, mich zu schlagen?« Ihre Augen funkelten herausfordernd.
    Bestürzt über Kims unerwarteten Wutausbruch, wich Luke bis zur Balustrade zurück. Er verlor das Gleichgewicht und machte eine Rolle rückwärts. Der Junge schrie entsetzt auf, er klammerte sich mit der rechten Hand am Geländer fest und fuchtelte mit dem linken Arm wild in der Luft herum, bis er einen Pfosten zu fassen bekam. Seine Finger drohten jedoch abzugleiten, und in diesen kritischen Sekunden, die eine Ewigkeit zu dauern schienen, starrte er Kim mit glasigen Augen an.
    Sie wußte, daß dieser angsterfüllte und anklagende Blick sie ihr Leben lang verfolgen würde, falls Luke wirklich abstürzte. Vor Schreck wie gelähmt, flehte sie Jared lautlos an, dem Jungen zu helfen.
    Als hätte er ihre stumme Botschaft empfangen, hechtete Jared zum Geländer, packte Luke, dessen Kräfte schon erlahmten, bei den Handgelenken und zog ihn über die Brüstung.
    »Es… es tut mir leid«, stammelte Kim.
    »Ich wollte nicht …«
    Sobald er in Sicherheit war, schlug Lukes Todesangst in Zorn um. »Verdammt, was habe ich denn getan? Ich habe euch nur erzählt, was ich gehört habe! Mein Gott, ich hätte mir den Hals brechen können!« Er rannte die Treppe hinab und rief Kim von unten zu: »Vielleicht war deine Tante nicht die einzige Verrückte in dieser Familie!«
    Bevor sie etwas erwidern konnte, schmetterte Luke die Haustür hinter sich zu.

8. Kapitel

    Die tiefe Stille, die sich in dieser Nacht über das alte Haus senkte, war für die neuen Bewohner so ungewohnt, daß alle außer Molly, die sofort einschlief, als Janet sie in ihr Kinderbett legte, lange wach lagen.
    Sie lauschten der Stille.
    Kein Insekt zirpte.
    Kein Tier raschelte draußen in der Dunkelheit.
    Auch das Gemäuer gab keinen Laut von sich.
    Es war totenstill.
    Doch alle Conways glaubten Echos von Stimmen zu hören, und alle fühlten sich von Augen aus der Finsternis beobachtet.
    Für Janet waren das die Augen von Jake Cumberland, der sie aus dem Schatten der Magnolie am Friedhofszaun heraus haßerfüllt angestarrt hatte. Und die leisen Stimmen gehörten Alma Morgan und Corinne Beckwith: die eine flüsterte, Cora sei nicht geisteskrank gewesen, und die andere berichtete von einem Baby, das Teds Vetter oder Kusine gewesen wäre, wenn es überlebt hätte.
    Wenn es überhaupt jemals existiert hatte.
    Mit offenen Augen spähte Janet ins Dunkel, so als könnte die Wahrheit über die vierzig Jahre zurückliegenden Ereignisse in den schwarzen Falten der Nacht verborgen sein.
    Doch die Finsternis und die Stille gaben keine Geheimnisse preis.
    Als die Nacht dahinkroch, ohne ihr den heißersehnten Schlaf zu bescheren, verspürte Janet das Bedürfnis, nach Teds Hand zu greifen. Es wäre tröstlich zu wissen, daß sie in dieser Stille und Dunkelheit nicht ganz allein war. Andererseits waren ihr seine Berührungen seit langer Zeit

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