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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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schien sich dort zu bewegen, verborgen in der Finsternis. Tahlon lief weiter, eine Treppe mit seltsam schiefen, ineinander verkanteten Stufen hinunter. Mit langen Schritten, aber nicht mehr ganz so schnell wie vorher, näherte er sich einem hohen Torbogen, hinter dem es nicht völlig dunkel war. Konnte Esebian in der kurzen Zeit so weit gekommen sein? Zweifel nagten plötzlich an ihm, und er fragte sich, ob er den richtigen Weg eingeschlagen hatte. Der von der Drohne erwähnte mobile Transferitor fiel ihm ein. Wenn der Mörder ihn gefunden und aktiviert hatte …
    Tahlon trat durch den Torbogen und blieb abrupt stehen, als er das Spinnenwesen sah. Der Weber hing ganz oben in der großen Höhle an den von ihm gesponnenen Filigranfäden, die ein silbernes und goldenes Netz bildeten. Ob er noch lebte, ließ sich kaum feststellen, denn Dunkelheit verhüllte den größten Teil von ihm, und was zu sehen war, bewegte sich nicht.
    »Sie haben sich Zeit gelassen«, erklang eine Stimme. »Ich warte seit einer halben Stunde auf Sie.«
    Tahlon drehte den Kopf. Auf der anderen Seite der Grotte stand Esebians Stützgerüst vor etwas, das wie eine Transitmembran aussah: ein silbergraues Rechteck, zehn Meter breit und sechs hoch, darin etwas, das aussah wie eine vertikale Wasserwand, berührt von einem sanften Wind, der kleine Wellen schuf.
    Tahlon näherte sich Esebian. »Ein Filigran? Unter der Oberfläche eines Planeten?« Und dann fragte er: »Was meinen Sie mit einer halben Stunde ? Es ist nicht einmal eine Minute vergangen.«
    Esebian, das Gesicht greisenhaft und fast so farblos wie das eines Grauen, nickte langsam. »Ich verstehe.«
    Tahlon erreichte das Stützgerüst und fühlte Kälte, die von der nahen Transitmembran ausging. »Ich verstehe es nicht. Hätten Sie die Güte, es mir zu erklären?«
    »Sehen Sie sich um. Sehen Sie sich die Wände an.«
    Tahlon sah sich um. Inzwischen hatten sich seine Augen an die Düsternis gewöhnt, und er stellte fest, dass die Wände aus einzelnen Segmenten bestanden, die sich ganz langsam verschoben. Er beobachtete, wie ganz in der Nähe ein kleiner Block über einen höheren kroch und dann verharrte. Größe und Form, die grauschwarzen Seitenflächen … Tahlon griff in eine Tasche seiner schmutzigen Jacke und holte das Kästchen hervor, das er bei Esebian gefunden hatte. Ein Artefakt aus dem Labyrinth von Lahor, eine Möbiusschleife – nicht leer –, der vom Netzwerk eine Transitweiche hinzugefügt worden war.
    »Sie haben sie mitgenommen?«, fragte Esebian erstaunt, und sein Blick glitt zum Indikator, der darauf hinwies, das sich etwas in der Schleife befand.
    Tahlon steckte das Kästchen wieder ein. »Dies hier … stammt aus dem Labyrinth von Lahor?«
    »Oder von einer anderen Welt mit Hinterlassenschaften der Incera«, sagte Esebian und starrte zwei oder drei Sekunden lang auf die Jackentasche. »Für mich ist eine halbe Stunde vergangen, für Sie nur eine Minute – es gibt hier also temporale Anomalien, wie im Labyrinth. Und wie dort verändern sich die Strukturen, auf der Suche nach Synchronisation.« Er winkte mit dem rechten Arm, aber es war eine langsame, mühevolle Geste. »Die Erlauchten haben Incera-Technik hierher gebracht und installiert. Und sie haben einen modifizierten Transferitor mit dem Filigran eines Webers verbunden. Das meinte El'Hantor mit dem fernen Ort, der doch nur einen Schritt entfernt ist. Das wahre Fouracre befindet sich dort.« Er deutete auf die Membran.
    Tahlon trat an dem Stützgerüst vorbei und fühlte, wie es immer kälter wurde, als er sich der Transitmembran näherte. Wie Wasser ragte sie vor ihm auf, nicht zu Eis erstarrt, sondern von einem trägen Wogen durchzogen. Wenige Zentimeter hohe Wellen wanderten langsam über die vertikale Transitmembran, und hinter ihrem matten Glanz zeichnete sich undeutlich eine Landschaft ab; zwei Sonnen hingen niedrig über einem schartigen Horizont. Tahlon machte noch einen Schritt und versuchte, Einzelheiten zu erkennen.
    »Wenn ich Sie loswerden wollte, würde ich jetzt schweigen«, sagte Esebian. »Hüten Sie sich davor, die Membran zu berühren.«
    Tahlon wich zurück. »Warum?«
    »Nehmen Sie etwas und werfen Sie es in die Membran«, sagte der Mörder im Stützgerüst.
    Tahlon griff in eine Tasche, fand einen Datenstift, nahm die Kappe ab und warf sie. Als das kleine Objekt die Membran berührte, blitzte es plötzlich, und die Kappe des Datenstifts verglühte, ohne auf die andere Seite zu

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