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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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gelangen.
    »Vielleicht habe ich Ihnen das Leben gerettet«, sagte Esebian. Es klang spöttisch, und auch ein wenig bitter.
    Tahlon drehte sich um, als er ein Summen hörte. Die beschädigte Magisterdrohne näherte sich und richtete ihre Klingensensoren auf die Membran. »Interessant«, summte sie. »Ein veränderter Transferitor, verbunden mit einem Filigran.« Sie schwebte der Membran entgegen.
    »Vorsicht«, sagte Tahlon.
    »Ich weiß. Ich habe alles beobachtet. Dies könnte … aufschlussreich sein. Ich werde untersuchen und Daten sammeln.«
    Tahlon sah zum Weber hob, der weit oben im Netz hing, groß und doch winzig im Vergleich mit den Webern, die ihre Netze im All spannen. Seine langen Beine bewegten sich nicht. »Ist er tot?«
    »Sie haben ihn hier eingesperrt und sich ein Filigran von ihm weben lassen«, krächzte Esebian. »Vielleicht haben sie irgendwo eine Larve gefunden – möglicherweise im Labyrinth auf Lahor – und sie hierher gebracht. Er kann nicht viel mehr sein als ein Kind. Hier gibt es Mauern, eine planetare Kruste, darüber eine dichte Atmosphäre. Es sind lebensfeindliche Bedingungen für Geschöpfe, die an die unendliche Weite des Alls gewöhnt sind. Sie haben ihn hierher gebracht und wussten, dass er gerade lange genug leben würde, um das Filigran zu weben. Und dann ist er gestorben.«
    Akir Tahlon seufzte leise. Die Anspannung fiel von ihm ab, aber etwas anderes nahm ihren Platz ein, ein Schatten, der sich ihm schwer auf die Seele legte. Für einen Moment wünschte er sich weit weg, vielleicht sogar in den staubigen Saal mit dem Kronleuchter. Dann trat er zu Esebian und griff nach den Kontrollen des Stützgerüsts. »Kümmern wir uns um die Toten, damit sie nicht lange tot bleiben.«
    »Was ist mit den Lebenden?«, erwiderte Esebian, und diesmal war die Bitterkeit in seiner Stimme unüberhörbar. »Sehen Sie mich an! Ich sterbe bald, wenn mir niemand hilft. Wenn Sie mir nicht helfen.«
    Tahlon blickte auf ihn hinab. »Glauben Sie im Ernst, etwas anderes als den Tod verdient zu haben?«, zischte er.
    Sie waren erst einige Schritte weit gekommen, und hinter ihnen wurde das Summen der Drohne plötzlich lauter.
    »Etwas ist geschehen«, sagte sie. »Jae kann nicht mehr durch das Masako-Filigran mit den anderen Magistern kommunizieren.«
     
     
    Nur wenige Lichter funkelten gelb und weiß in der Stadt, die sich vor dem Hochplateau mit dem Schrein erstreckte; die meisten Häuser lagen im Dunkeln, leer und still, tot wie der Mann, dessen Domizil dies einst gewesen war. Am Horizont ragte ein Teil von Lybeckers Nachtseite auf, wie ein dunkler Moloch, der dabei war, die Sterne zu verschlingen. Mehrere Monde des Gasriesen wanderten über den Himmel, und ein künstlicher hatte sich ihnen hinzugesellt, nicht rund oder sichelförmig wie die anderen, sondern eine Masse aus mehr als hundert Kilometer langen Stacheln: Jae-al-Escoe-Hoivinio-tan-Mauleon-Caliquire-tan-Nesluzan hatte sich in eine niedrige Umlaufbahn über Gondal gebracht. Tahlon schaute aus dem Fenster des Kommunikationszentrums, das El'Jarod für ihn eingerichtet hatte, und fragte sich, was die Erlauchten von der Präsenz des Magisters am Himmel ihrer Welt hielten. Nicht viel, wie die bisher beobachteten Reaktionen zeigten.
    Er drehte sich um. »Und es besteht nicht der geringste Zweifel?«, fragte er, obgleich er die Antwort kannte.
    »Nein«, bestätigte die Drohne. Sie schwebte in der Mitte des Raums, dem die Formspeicher die Struktur eines Salons gegeben hatten. Das Stützgerüst stand neben dem Fenster, und der Mann darin, grau und wie geschrumpft, schien zu schlafen. Die Ärzte hatten sich auch um Esebian gekümmert, aber abgesehen davon, dass er frische, saubere Kleidung trug, hatte sich sein Erscheinungsbild nicht verändert. Er starb, doch sein naher Tod weckte kein Mitgefühl in Tahlon, ganz im Gegenteil. So etwas wie Genugtuung regte sich in ihm bei der Vorstellung, dass dieser Serienmörder seinen Opfern bald ins Jenseits folgen würde.
    »Die Transitmembran unter dem Schrein kann nur von Unsterblichen passiert werden«, summte die Drohne, und ihre Worte fassten eine Untersuchung zusammen, die fast vier Stunden gedauert hatte. »Ich nehme an, durch die Passage eines Erlauchten öffnet sich für kurze Zeit ein Transitfenster.«
    »Haben Sie das Sonnensystem identifiziert, Jae?«
    »Ja«, antwortete der Magister durch die Drohne. »Die beiden dicht über dem Horizont stehenden Sonnen und ihre Spektralsignaturen boten einen

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