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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Drohne nach, als er zusammen mit Esebian den Saal durchquerte.
    Der Raum, aus dem das matte Licht kam, verfügte offenbar über eine separate Energieversorgung, die zumindest zum Teil noch funktionierte. Projizierte Szenen von verschiedenen Welten wanderten langsam über die gewölbten Wände: Wüsten mit welligen Dünen, weite Wälder in unterschiedlichsten Grüntönen, Bergketten mit Kronen aus Schnee – alles wirkte beruhigend. In der Mitte des runden Raums, in einer etwa vier Meter tiefen Mulde, befand sich eine lehmbraune Ruheliege, umgeben von sieben safrangelben Speicherblöcken. Dass die Anschlüsse zwischen den Blöcken und der Liege deutlich zu sehen waren, wies auch hier auf inaktive Formspeicher hin.
    Der Mann auf der Liege rührte sich nicht, aber er atmete, das sah Tahlon selbst aus dieser Entfernung – seine Brust hob und senkte sich langsam. Die Augen blieben geschlossen, obwohl er eigentlich das Summen der näher kommenden Drohne hätte hören müssen. Er trug eine weite ockerfarbene Hose, in der dünne Beine steckten, darüber ein Hemd mit mehreren asymmetrisch angeordneten Taschen. Das Gesicht war schmal, mit eingefallenen Wangen und spitzen Jochbeinen, und zwei lange Falten durchzogen die Stirn.
    »Ich nehme an, die Speicherblöcke enthalten die Erinnerungs-Backups«, sagte Esebian. Er sprach leise, aber seine Stimme reichte weit durch den großen Raum. Der Mann auf der Liege rührte sich noch immer nicht.
    Tahlon achtete nicht auf ihn und trat zur Drohne, die am Rand der Mulde schwebte, neben einer Treppe. »Was ist hinzugefügt worden, Jae?«, fragte er und sprach leise, als wollte er den Ruhenden nicht stören.
    Die Klingen der Magisterdrohne rotierten wieder, und Tahlon begriff, dass einige von ihnen Sensoren waren. »Hinter diesem Raum sind Veränderungen vorgenommen worden. Die üblichen Strukturen, an die ich mich erinnere, existieren nicht mehr. Es könnte an den inaktiven Formspeichern liegen, aber das halte ich für unwahrscheinlich. Die energetischen Emissionen, die ich oben geortet habe, kommen von dort.«
    »Wer ist da?«, hauchte eine geisterhafte Stimme.
    Tahlon sah zu dem Mann auf der Liege. Seine Lider waren noch immer geschlossen, aber die Augen darunter bewegten sich wie im REM-Schlaf.
    »Ich bin Akir Tahlon, Präfekt der Hohen Welten und Erster Hochkommissar des Direktoriats«, sagte Tahlon, als er die Treppe hinunterstieg, obgleich er vermutete, dass El'Hantor mit diesen Worten kaum etwas anfangen konnte. Dicht vor der Liege blieb er stehen und sah auf den kranken Unsterblichen hinab. »Was ist hier geschehen?«
    El'Hantors Lider kamen wie in Zeitlupe nach oben, und die Augen darunter waren trüb. Ihr Blick galt einer Welt, die Tahlon verborgen blieb.
    »Ich warte«, sagte er leise. »Ich warte darauf, dass sie auch mich fortbringen.«
    »Wo sind El'Farah und El'Coradi?«, fragte Tahlon. »Wohin sind die drei anderen Erlauchten gebracht worden?«
    El'Hantor schien ihn gar nicht zu hören. »Ich habe sie gesehen«, flüsterte er. »Auf der Alten Erde. Die Versprengten. Die Vermissten. Die Reisenden, die auf der Suche nach dem Synchronisator waren. Und nach den Schlüsseln dafür. Ich habe gehört, wie sie schrien, als sie starben, und ihre Schreie … nahmen mir die Gedanken. Sie zerrissen mich …« Er hob zitternde Hände, ballte sie zu Fäusten und drückte sie an die Schläfen.
    »Was wissen Sie über den Synchronisator?«, fragte Esebian und steuerte sein Stützgerüst näher.
    Tahlon warf ihm einen kurzen Blick zu. »Mischen Sie sich nicht ein!«, zischte er verärgert und wandte sich wieder dem Unsterblichen zu. »Wer nahm Ihnen Ihre Gedanken? Wen haben Sie auf der Alten Erde gesehen?«
    »El'Kalentar hat versprochen, mir zu helfen.« El'Hantor neigte den Kopf ein wenig zur Seite und lauschte dem Klang der eigenen Stimme. »Hat er euch geschickt? Aber … was macht die Drohne hier?« Er setzte sich auf und starrte Tahlon an. »Drohnen haben hier nichts zu suchen. Sie könnten …« Die plötzliche Sorge verschwand wieder aus seinem Gesicht, und die Lippen formten ein glückseliges Lächeln. Der Blick ging erneut in die Ferne. »Ich bin durch leere Städte gewandert und habe der Stille gelauscht. Auf endlosen Ebenen habe ich mit dem Wind gesprochen und bin mit den Wolken gesegelt. Ich habe das Licht der Sonne getrunken und mit den Schatten der Nacht getanzt. Ich habe die vielen Gräber auf der Alten Erde gesehen, und die Reste der Genetischen Armada.« El'Hantor

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